und soweit geheim bleiben soll, daß das gewöhnliche Personal den Verletzten
nicht zu Gesicht bekommt und nicht darüber redet. Ich werde ihn oben in ein
kleines Zimmer legen und Sie mit seiner pflege betrauen. Machen Sie sich auf
etwas Abscheuliches gefaßt, es ist ein Offizier, der den Händen rasender Weiber
halbtot entrissen wurde."
Um 1l Uhr wurde der Verstümmelte in den Operationssaal getragen, wir
hatten drei Stunden mit ihm zu tun. Der Ropf war eine einzige große Bandage,
mit einem Luftloch in der Mitte, aus der aber keine Nase, sondern nur ein
blutiges Nichts heraussah. Mir ahnte nichts Gutes bei diesem Anblick, aber
wie wenig hatte der Verlust der Nase zu bedeuten. Die Megären hatten noch
mehr getan, als sie abzuschneiden. Die Ohren fehlten, beide Augen fehlten, und
dazu kam noch eine halbdurchgeführte Rastration, die wir nur zu Ende zu
bringen hatten. Es war entsetzlich, auf diese armen zerstörten Augen, über
diese fehlende Nase die Aethermaske zu legen; es war meine Aufgabe, da der
Schwester ein solcher Anblick erspart werden sollte.
Zwei Tage später kehrte die volle Besinnung des Offiziers zurück. Er wußte,
was mit ihm geschehen war, nur der Verlust der Ohren war ihm unbekannt.
Es war ein Hauptmann, ein vierzigjähriger Mann, der eine junge Frau in
Deutschland harre. Er verlangte stürmisch Gift. Mir fiel die schwere Pflicht, ihn
durch Worte zu beruhigen, fast ganz zu, der Oberstabsarzt hatte zu viel zu tun.
Der Verwundete knirschte, daß man ihn nicht hatte verbluten lassen. Er
nannte uns grausamer als die belgischen Weiber. Als der Oberstabsarzt einen
Tag später wieder an sein Bett trat, wurde er plötzlich ruhig und bat um
einen Liebesdienst. Man solle seiner Frau telegraphieren, daß er gefallen sei.
Er begegnete einer Weigerung. Er bat weiter, mit einer Beherrschung, die
gefährlicher als Rasen und Stöhnen war.
„Nie darf sie wissen, was mit mir geschehen ist und wie ich hier liege, nie,
nie. Heute Nacht wollte ich mich zum Fenster tasten und mich hinausstürzen,
aber ich verschiebe meinen Tod. Ich will so nicht heimkehren, ich bin ja kein
Mensch mehr, ich werde sterben, aber ich will so lange warten, bis ich gehört
habe, daß wir siegten. Und nun telegraphieren Sie."
Er fetzte seinen willen durch. Ich war es, der das Telegramm aufgab, an mich
klammerte er sich, mir vertraute er, weil ich ein Mann von seiner Bildung war.
Die Wochen vergingen. Seine Wunden heilten zu, er lag ruhig in seinen
Verbänden. Mit seinem Weib und dem Leben hatte er abgeschlossen, was
ihn beschäftigte, war nur die Zeitung. Ich mußte sie ihm täglich vorlesen. In
Gedanken machte er die Gewaltmärsche gegen Paris, die Streifzüge der Reiterei,
die Erkundigungen der Flieger mit. Glockengeläute war sein Labsal, denn cs
bedeutete Sieg. Dann kam der Rückzug bis zur Aisne. Er atmete nicht mehr
vor Schrecken. Die Nachrichten lauteten wieder gut. Antwerpen fiel. Danach
wurde er von Neuem ungeduldig, warum hörte man nichts vor Verdun, warum
ging es nicht vorwärts? Rennen Sie die Erzählung Daudets von dem alten
kranken französischen Offizier, dem seine Tochter erzählt, wie J$70 die Franzosen
in Deutschland vordringen, bis er eines Tages Märsche hört, die er nicht kennt,
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