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Glossen und Kritiken
Rens Schickele, Haas ! m
Schuakeuloch. Schauspiel
iu vierAufrügen. SuHeftI
der weißen Blätter.
1. Aus dem Brief einer Zrau: „Das ist
schon etwas gao; Lutruckeudes! Und tut
mir wohl wie Moselwein oder ein
heller Frühlingstag. Bis dahin, muß
ich sagen, war mir das Elsaß ziemlich
gleich: Ein schönes Land gewiß, aber
ich wußte nichts von den Leuten.
Lieuhard? Das konnte nicht sehr ver
locken. Also lag's mir nicht am Herren.
Aber hier kriegt ich eine richtige Zärt-
Uchkeit und sage: Gott sei Dank, daß
wir sie unter uns haben als einen neuen
Eropfeu im Blut. Hoffentlich, daß sie
mit ihren hellen Herzen und chrem
Sichgehenlasseu uns etwas iu Gärung
und Wandlung bringen. Alle werden
sie ja doch wohl nicht wie der Hans
zu den Franzosen sterben gehen. 2edeu-
falls hat Schickste es nicht getan. Das
ist schon viel. Denn wenn mir je ein
Mensch sgmpathisch war, ist er's.
Auch alles, was er am Schlüsse der
„weißen Blätter" sagt, tut meinem
Herren wohl und wohlest: von seiner
feinen und gerechten Abfertigung des
Zlake-Anffatzes au bis ;u dem rnver-
stchtlicheu Schluß. Er erinnert mich ein
bißchen au Schnitzler, was den Geist
und die Anmut angeht, aber er ist
reiner und tätiger und frömmer.
Rur über eins bin ich ihm böse. Daß
die Klär den armen Haus rum Schlüße
fahren läßt. Entweder ist das nicht
richtig, oder ich bin keine rechte Frau.
Wo's ihm so hundsmiserabel geht, da
soll ste daran denken, daß er ste verrät
und verläßt? Ausgeschlossen! Viel
leicht ist's nur Parteilichkeit bei
Schickste, just weil ihm der Hans so
am Herren Legt, daß er's ihm
noch schlimmer macht als eigeutllch
nötig wär."
2. Was mir danach noch ;u sagen
bleibt: Richt viel. Rur: Daß dies
„unmoralische" und „uupatriotische"
Stuck, iu dem der Held am Ende des
rweiteu Aktes seiner Frau durch- und
am Ende des vierten Aktes ru den
Franzosen übergeht» daß dieses tra
gische Spiel, das mit Mord und Tot-
schlag endet, Mischen Kanonen und
brennenden Häusern, daß dieses
Stuck trotzdem von einer fast kindlichen
Reinheit ist, die wirklich wie ein
„Frühlingstag" erregt, bewegt und
heiter macht.
Am Schlüsse gehl alles iu die Bruche,
das Haus, die Ehe, die Freundschaften;
die Bruder trennen stch — und aus
den Trümmern dieses Lebens steigt,
stärker als aller Schmer;» eine Hoff
nung und mehr als Hoffnung Zuver-
stcht.
Mehr als ein Schau- und Trauer-
Spiel, das die Vergangenheit beklagt
und schildert, ist dieses Stuck die
Ouvertüre einer verlockenden, einer
höchst erstrebenswerten Zukunft, einer
Zukunft, um die wir kämpfen muffen
und wollen.
So erreicht dieses Stuck» ohne sicht
bare Tendeur» ohne 2rovie und Spott,
ohne Berbitternug und ohne Über
treibung aller Schatten (denn alle
handelnden Personen, ja beinahe die
handelnden Rationen» sind von stch aus
so sehr im Recht, daß auch der Zu
schauer jeder eiurelueu recht gibt) so
erreicht dieses Stuck doch jene Wir
kung» die das wichtigste Ziel aller
Kunst — sein sollte (soweit immer