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Bücher (äußerlich oder ras Sauersten) ««vollendet bleibe«. Schuld und Sühne
bricht ab, als Aaskolnikows anderes Leben beginnt, der Säugling, als feine „neue
Geschichte" anhebt, die Bruder Karaurafoff, als Aljofcha Hand in Hand mit den
Kindern steht vor feinem Aufbruch. Ls wäre fchade, wenn es anders wäre. Alles
Uetze stch auf taufeudfache, auf herrUche Weife jn Lude führen, aber kein hellster
Lag könnte fo fchön fein, wie dieser Sonnenaufgang, und kein Lebe« so reich, svie
dieser Beginn.
Lr schildert die Sagend, und liebt ste, wie niemand sonst, well ste, nur
sie, in einem Menschen die ganze Menschheit noch umschüetzt vom Mörder bis
zum Heiligen, heilig ste selbst in dieser All- und Uubestimmbarkeit.
Wird Rußland selbst diese Welt, diese Dostojewski-Welt, sein, die im Lut
steheu ist und aus Licht drängt? 2st es so» wie gleichgültig» wie völlig falsch gestellt
stud daun alle Fragen: ob er europäisch ist oder astatisch, Kulturland oder barbarisch,
Ration oder rerfalleudes Völkergemisch, christlich oder nur orthodox, aufsteigendes
Volk oder Staat in Zersetzung? Es ist dann das alles und ist nichts von alledem;
verstukeude Vergangenheit, zugleich aufsteigende Zukunft. Gerade darum aber
von uns, von uns Deutschen im Wesen verschieden.
Denn wir, soir werden nicht, wir stud. Wir dürfen uns nicht damit trösten, daß
«ufere Zeit noch kommt, daß unser Gedanke noch gedacht, unsere Form noch
gefunden werden wird. Unser Los ist schon geworfen, unser Gesetz «ns schon
gegeben, unser Weg schon vorgezeichuet. Wir müßen ihn gehen und haben gar
keine Entschuldigung, wenn wir ihn verfehlen. Unser Los ist schon beschränkt.
Aber immer noch reich genug und verantwortungsvoll genug. Bon uns wird es ab
hängen, ob das, was Deutschland sein sollte, ein leeres Wort bleibt oder eine
Erfüllung wird.
Was Rußland fein wird, das wißen wir nicht. Auch Dostojewski weiß es
nicht. Für ihn ist es noch alles. Und er sucht das Allerumfaßeudste, um es überhaupt
auszudrücken: Rußland das ist die Erlösung, Rußland das ist die Liebe, Rußland
das ist Ehristus. Und damit wird er, der Fremde, er» der Dichter der komnseuden
Welt, doch der allergegenwärtigste für uns. Denn dies: Leben, Liebe, Erlösung,
das ist auch uns das Wichtigste» Notwendigste, das was die Sehnsucht unserer
Lage am vollsten umschreibt. So stehen wir Deutschen alle jetzt unter seinem,
des Rußen Schatten. Unser ganzes geistiges Leben ist so Dostojewski-durchträukt,
daß wir selbst es kaum wißen. Und es ist schön und gut» daß wir au diesem aller-
russtschsteu Dichter (wieder mal) spüren, daß alles ganz und gar und eingefleischt
Rationale zugleich international daß heißt meuschüch ist. Rationalität Kanu nur
trennen, wenn ste einen Mangel bezeichnet und eine Schwäche. Wenn wir uns
aber richtig und grüudüch mit den andern vereinigen wollen» können wir gar nichts
beßeres tun, als suögüchst stark, wir selbst sein. Rur so tun wir ihnen einen Ge
fallen. Dostojewski hat uns Deutsche nie recht ausstehen können und ist sogar
recht ungerecht gegen uns gewesen. Und welchem philogersoanischeu Westler stud
wir so sehr zu Dank verpflichtet, svie chm? Friedrich Mark