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Dasselbe Phänomen, dass eine Kunstfrage die Zürcher
Bevölkerung bis in ihre Höhen und Tiefen erregt, zeigte uns
abermals das verflossene Jahr, als im Winter der Streit über
den Hodler’schen Entwurf für Fresken ım Landesmuseum ent-
brannte. Wochenlang sprach man in Zürich nicht mehr von
Politik und Vereinsangelegenheiten, sondern von Kunstfragen.
Die einander schroff widersprechenden, miteinander lärmend
ringenden Urteile der Kunstbeflissenen erhielten ihr Korrelat
von dem naiven Empfinden der Ungelehrten. Wie weit und
unversöhnlich im vorliegenden Falle die Ansichten auch immer
auseinander gehen mochten, darüber dürften alle einig sein,
dass der Eifer, den die Debatte entfachte, für das Kunst-
interesse der Bevölkerung kein übles Zeichen, für Kunst-
bestrebungen nur Gewinn sein kann.
Die Zürcher Kunstgesellschaft blieb in der allgemeinen
Debatte selbstverständlich nicht zurück. KEine gut besuchte
Versammlung im Künstlergut beschloss am 30. November
nach ausgiebiger Erörterung des Für und Wider mit 28 gegen
7 Stimmen die Absendung des nachstehenden Telegrammes an
Herrn Bundesrat Lachenal. «Nach lebhabter Debatte über
den Hodler’schen Entwurf fasste die Zürcher Kunstgesell-
schaft folgende Resolution: Die Zürcher Kunstgesellschaft
spricht dem hohen Bundesrat den Wunsch aus, es möchte
dem Künstler Gelegenheit gegeben werden, sein Werk weiter
zu führen » *).
er
Im übrigen verlief das Berichtsjahr für die Kunstgesell-
schaft ohne symptomatisch bedeutsame Kurvenschwankungen.
Den Berchtoldstag beging die Gesellschaft in der üblichen
Weise im Künstlergut.
An der Feier zur Einweihung des Landesmuseums be-
teiligte sie sich durch Übernahme der Gruppe «Turica» am
*) In diesen Tagen hat der Bundesrat auf Grund eines neuen Ent-
yurfs Herrn Hodler die Ausführung der Fresken übertragen.