Volltext: Jahresbericht 1910 (1910)

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Jahresbericht 1910 der Zürcher Kunstgesellschaft _ 
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Schenkungen von Privatsammlern. Hingegen mehrt sich ständig der Besitz an Zeich- 
nungen, die vom eidgenössischen Kupferstichkabinett nicht mehr gesammelt werden. 
Ungefähr die Hälfte der eben jetzt aufgelegten Blätter ist im Jahre 1901 angekauft 
worden. 
Sieben Meister, ein Mathias, ein Johann Melchior, zwei Johann Rudolf, zwei 
Johann Kaspar, und Wilhelm Heinrich Füssli, haben gegenwärtig in den Vitrinen der 
Bibliothekräume BI, BII und BIII das Wort. Man erwarte nicht, damit alle zeich- 
nenden und malenden Vertreter dieses Zürcher Künstlergeschlechtes kennen zu lernen. 
Das vorhandene künstlerische Material ist zu lückenhaft; zur Klarlegung der mannig- 
faltigen Familienzusammenhänge wären Stammtafeln unerlässlich. Neben zahlreichen, 
weniger bedeutenden Vettern fehlt eine der stärksten Persönlichkeiten vollständig, der 
«Engländer» Heinrich Füssli (1741-1825), der Schöpfer des in Komposition und Gebärde so 
theatralisch-pathetisch stilisierten Gemäldes unserer Sammlung, das ihn selbst zeigt, wie er 
len Worten des greisen Bodmer lauscht (Nr. 148, abgebildet im Sammlungskatalog), ebenso 
Jer wenig jüngere Landschafter Heinrich (1755—1829), dessen einziges in der Sammlung vor- 
handenes Blatt zu nichtssagend ist, um als Aeusserung einer Künstlerpersönlichkeit gelten zu 
können. Auch von manch einem der ausgestellten Blätter wird sich nicht viel mehr sagen 
Jassen. Da mag sich der kritische Beschauer daran erinnern, dass der eine dieser Maler und 
Zeichner nebenbei nicht hloss Ratsschreiber, sondern auch sehr verdienstvoller Historiker 
gewesen ist; ein anderer veröffentlichte ein «Magazin für Liebhaber der Entomologie>» 
und das «Archiv für Insektengeschichte», ein dritter war Sekretär eines ungarischen 
Grafen, Feldmesser, und schliesslich Archivar der Kaiserlichen Akademie der bildenden 
Künste in Wien. Die Berechtigung der Ausstellung beruht zum guten Teil auf der Bedeutung, 
die solche Persönlichkeiten für die Geschichte des zürcherischen Kunstgeschmackes und, 
im besondern, der Zürcher Kunstgesellschaft besitzen. Was von den vorgelegten Zeich- 
nungen ungeschickt und nüchtern sich darstellt, nehme man als das, was es ist, als bloss 
merkwürdig, bloss historisch interessant. So übel angebracht und unnütz gegenüber reiner 
Kunst rein intellektuelle, analytische Kritik, so unschädlich ist gegenüber den Versuchen 
des Dilettantismus, wo der künstlerische Kern meist fehlt, die Beschäftigung mit dem 
«Drum und Dran». Künstler stehen für sich, über oder ausserhalb der unmittelbaren 
historischen Umgebung; sie schaffen das Neue, die Allgemeinheit mag sich dazu stellen, 
wie sie eben kann. Die Bemühungen der Dilettanten geben in ihrer Gesamtheit einen 
Begriff von Zeitgeschmack und Mode, von den künstlerischen Allgemeinbedürfnissen, der 
rünstlerischen Nachfrage. 
Ein Dilettant ist nun der erste der im Kupferstichkabinett vertretenen Füssli, 
Mathias I. (1598—1665) freilich nicht, wenigstens nicht nach seinem äussern Lebens- 
lauf und seiner Lebensführung. Geboren als Sohn eines Goldschmiedes, soll er schon 
n der frühesten Jugend ganz hervorragende künstlerische Talente gezeigt haben bei 
einem «cholerischen, ziemlich rohen und ernsthaften Temperament». Nach einer Zürcher 
Lehrzeit bildete er sich in Italien weiter und kehrte 1634 als überzeugter Anhänger von 
Tempesta und seiner Schule in die Heimat zurück. Diese Tradition pflegte er in Zürich
	        
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