Volltext: Jahresbericht 1978 (1978)

geschaffenen Eisenplastiken mit ihren konkaven, 
einen inneren Leerraum umhegenden Schichtungen 
und Schalen. Besonders das vertikal entwickelte 
«Ex-voto» (1955) erinnert an die gleichnamige 
Skulptur (1956), aber auch an die nahe verwandten, 
etwa zwei Jahre später entstandenen «Aaron- 
stab», «Rittersporn» und «Rübezahl». Aber Müllers 
Plastiken sind zum Teil aus vorgefundenem 
Schrott gefügt, müssen jedenfalls zusammenhalten, 
während die Formelemente einer Zeichnung 
lediglich zusammenzustimmen brauchen. Daher 
können die spröden, plastisch-räumlichen Eisen- 
elemente der Plastiken sich auf der Zeichnung 
zum skriptural-fliessenden Zeichen umwandeln; sie 
erscheinen hier vergleichsweise dekomponliert, 
nur locker ineinandergreifend. Was an der Plastik als 
Schale und Sichelblatt, als Stab oder zuweilen 
aggressiv-abwehrende Panzerung auftritt, mani- 
festiert sich auf der zweidimensionalen Zeichnung als 
gerade oder abgewinkelte Pinselmarkierung, als 
eine Art Kommagebilde, als verschieden breite, wei 
che, sich einrollende Kringel. Im wohl schönsten 
Blatt dieser Serie (1957 entstanden) tritt der skriptu- 
rale Charakter am offensichtlichsten in Erscheinung. 
Es ist in der Tat eher geschrieben als gemalt, und 
zwar hat der Künstler abermals Nussbaumbeize ver: 
wendet, diese aber wie die ostasiatischen Kalli- 
graphen mit dem Pinsel aufgetragen. Als Bildträger 
wurde Japanpapier gewählt. Die « Schriftzeichen» — 
anders kann man diese auf die Zeile gebrachten 
Formen nicht gut nennen — verlaufen horizontal am 
oberen Blattrand. Unterhalb dieser Zeile breitet 
sich eine U-Form aus. Ihr linker Balken fasert gegen 
das Ende hin aus; der fast trockene Pinsel liess 
vor allem hier das Durchschimmern des hellen Papier- 
grundes zu. Müller hat derart den bei den chinesi- 
schen und japanischen Schreibmeistern traditionellen 
Effekt des «überflogenen Weiss» (chin. fei-pal) 
ins Spiel gebracht. 
von jenem Erotismus, den einige Interpreten Müllers 
meines Erachtens zu einseitig sozusagen aus allen 
seinen Werken herauszuspüren vermeinen. Beide 
Blätter gehören thematisch und formal In den 
Umkreis der Plastiken «Niche» und « Lustbunker» 
(1967-1970 in verschiedenen Fassungen und 
verschiedenen Werkstoffen). Stark formalisiert und 
fast ins Mythische gehoben, legen sie Assoziationer 
mit Penetration und Aufklaffen des weiblichen 
Schosses unabweisbar nahe. 
Fritz Billete 
Zwei einander verwandte Bleistiftzeichnungen aus 
den Jahren 1966/67 zeugen endlich eindeutig 
mx
	        
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