verstehen. Am unmittelbarsten ist noch die Beziehung zur
Vorstellung des Grundrisses und damit zu einem unräum-
lich Flächigen; das Prinzip der Einfassung gehört ebenso-
sehr zu den elementaren Bildformen wie zur Gartenbau-
kunst. Von aussen nach innen lässt sich die Abfolge der
fünf Umfriedungen ohne weiteres verfolgen; die äusseren
sind in sich stärker gebunden, während sich gegen das
Zentrum der Quadratraster zunehmend reiner ausprägt
und damit das einzelne Viereck gleichwertig auf alle vier
Seiten bindet und kontrastiert. Mit jeder Stufe werden die
Flächen kleiner, die Farben reiner und die Helldunkel-
Werte ausgeprägter; im innersten Bereich mit den
schwarzen Eckbetonungen fühlt man sich fast an frühmit-
telalterliche Reliquiare und ihren symbolischen Edelstein-
besatz erinnert. Doch diese hieratische Struktur wird von
einem dynamisch rotierenden Moment überlagert, das von
den diagonal desaxierten Farbverteilungen, vor allem vom
Gelb ausgeht.
So verweben sich eine grössere Zahl von Ordnungsprinzi-
pien; die innere Nähe zur Musik, insbesondere zu Bachs
Polyphonie, wird augenfällig, und wie dort leuchten hier
unversehens allgemeinere Harmonien auf. Denn nicht wie
bei einem Computer werden hier die Gesetzmässigkeiten
gehandhabt, sondern mit atmender Lebendigkeit; in dieser
Freiheit über dem Gesetz verwirklicht sich die schöpfe-
tische Spannung. Dass man nun im Kunsthaus ein solches
Werk studieren und geniessen kann, ist gerade hier im
Vergleich zu den Arbeiten der Zürcher Konkreten von
besonderem Interesse, sieht man doch in diesen äusserlich
gleichartige Prinzipien mit völlig anderem Resultat syste-
matislert.
Lebt das «Blühende Beet» ganz aus der Farbe, so beruht die
«Sandbank» (Abb. 11) fast ausschliesslich auf Linien, weich
fliessenden Umrissen um amöbenartige Formen, wie sie
Arp schon zu DADAs Zeiten als Grundlage seiner Kunst
antwickelte. 1939 entstanden, steht die Arbeit im Zusam-
menhang mit der überaus reichen Produktion von Zeich-
nungen dieses Jahres. Die Mittel brauchen nicht mehr
erforscht zu werden; sie sind geläufig und werden mit Präzi-
sion und Ökonomie eingesetzt; mit knappen und gross-
zügigen Linien umreisst Klee flächige Figurationen. Blatt
folgt auf Blatt; im Bewusstsein, dass seine Tage gezählt sind,
schreibt er seine ideogrammatischen Zeichen nieder, in
denen er sich mit der unheilvollen Entwicklung der Zeit,
vor allem aber mit seiner existentiellen Situation auseinan-
dersetzt. Spielte für die Farbtafeln die Erfahrungen in Tunis
und die islamische Ornamentik eine Rolle, so sind es jetzt
die Erinnerungen an die Ägyptenreise, die befruchtend
wirken. Einerseits werden die ästhetischen Prinzipien der
Hieroglyphen und der raumlosen Flachreliefs aktuell,
andrerseits aber bieten die altägyptischen Vorstellungen
von der Jenseitsreise und den Übergängen zwischen Leben
und Tod wichtige Anregungen. Bootsfahrten, oft gefähr-
liche, Inseln, seit langem Aufenthaltsorte der Seligen, zer-
stückelte Glieder, an Osiris erinnernd, Engel und Geister
weiland Lebender, Radpartien in einer von wuchernden
Pilzen beschatteten, kopfständigen Unterwelt beherrschen
diese Bilder. Auch Sandbänke passen ın dieses nilotische
Zwischenreich: Landschaftsformationen und doch im
Fluss wandernd und sich verändernd, anorganisch und
doch zoomorph. Sie überlassen sich den Strömungen, die
sie bald wachsen lassen, bald auflösen, und lehren, sich den
Lebensgesetzen, zu denen auch der Tod gehört, zu öffnen.
Die Dimension des Vergänglichen hat Klee ganz unmit-
telbar in sein Werk integriert, in dem er als Bildträger eine
alte Zeitung verwendete, Geschiebe aus dem Strom der
Zeit.
Auch Mir6ö öffnet sich dem Zufall und seinem
Schwemmgut. Aber während der Sohn eines deutschen
Musikers ganz erfüllt ist vom Gedankengut der Romantik,
fühlt sich der Katalane bäurischer Herkunft der Welt der
Dinge sehr unmittelbar verbunden; man braucht nur einen
Blick auf seine frühen Werke, etwa das monumentale «Still-
‚eben mit Hase», zu werfen, um sich der unglaublichen
Intensität seiner Gegenstandserfassung inne zu werden.
Gegen die Mitte der zwanziger Jahre entwickelte aber auch
er eine ideogrammatische Bildsprache von zunehmend
ıbstraktem Charakter; um 1930 schien ıhm der damit ver-
bundene Realitätsverlust zu einer Krise seiner Malerei zu
führen. Auf einer Reise nach Holland schlugen ihn die
alten Stilleben ganz in Bann, und er begann selbst Objekte
herzustellen, Bild-Objekte, in denen Fundstücke die ge-
suchte materielle Präsenz gewährleisten. Abfall, vom Leben