Volltext: Jahresbericht 1987 (1987)

servant inlassablement de modele et de confidente. ... Vuil- 
lard lui voua une amitie constante qui, durant quarante ans, 
ae connut pas le plus leger nuage.»* 
Von 1902 bis 1914 verbrachte Vuillard die Sommermonate 
regelmässig mit der Familie Hessel in der Normandie oder 
in der Bretagne. Das Bild «Village au bord de la mer»* ist 
während eines solchen Ferienaufenthaltes in Saint-Jacut in 
der Bretagne entstanden, wo Vuillard vom 7. Juli bis zum 
30. September 1909 weilte. Anders als auf Reisen konnte er 
sich bei den längeren Aufenthalten mit dem jeweiligen Ort 
vertraut machen. «Landschaften hat er nur dann gemalt, 
wenn er sie auch „besass“ — wie seine Innenräume - wenn er 
sie auch „bewohnte“, wenn sie in den Bereich seiner Inti- 
mität gekommen waren».* In Saint-Jacut hat Vuillard unge- 
wöhnlich viel gezeichnet und gemalt. In seinem Journal 
berichtet er fast täglich von seiner Arbeit an einem Bild 
oder Pastell und von seinen Skizzen vor der Natur.” Von 
seinen Spaziergängen ans Meer, zum Hafen oder ins Dorf 
und von seinen längeren Ausflügen und Bootsfahrten 
brachte er Bleistiftskizzen und Pastellstudien zurück, die 
ihm als Gedächtnisstütze für seine späteren Bilder dienten. 
Ebenso wie die Interieurs entstanden seine Landschafts- 
bilder im Atelier aus der Erinnerung oder nach vor dem 
Modell angefertigten Bleistiftskizzen.® Die Nabis, die nicht 
mehr das äussere Abbild der Welt wiedergeben wollten, 
waren der Überzeugung, dass sich in der durch die Erinne- 
rung geläuterten Form besser das Wesen der Dinge 
darstellen lasse. Vuillard malte in Saint-Jacut in dem von 
ihm gemieteten Haus, noch öfter aber in der Villa 
Duplessis, in der die Familie Hessel wohnte. Bei dem 
Ausblick aus dem Fenster auf die Häuser des Dorfes 
erscheint häufig einer der Fensterflügel mit auf dem Bild. 
«Village au bord de la mer» gibt die Ansicht von Saint-Jacut 
vom Südbalkon der Villa Duplessis (oberhalb des Salons) 
aach Osten wieder.” Im Archiv der Familie Salomon 
existiert ein ganz ähnliches Photo des Künstlers, auf dem 
ebenfalls die merkwürdige dunkle Baumform rechts im 
Hintergrund zu sehen ist, die wie eine doppelte Rauch- 
fahne aufsteigt. Das Photo kann aber nicht als Vorbild 
gedient haben, da der Blickwinkel nach rechts verschoben 
ist, wodurch die Windmühle wegfällt.? Am 9.9.1909 notiert 
Vuillard in seinem Tagebuch: «La chambre de Lucie ... 
croquis de la fene&tre, idee de panorama ... Me decide de faire 
de la peinture a Phuile. Badigeonne malgre le temps sombre 
jusqu’2 6 h. ... Soleil couchant rose ... soir orageux. Temps 
melancolique ... nuit d’ouragan.»? Diese Eintragung könnte 
sich auf unser Bild beziehen, zumindest ist sie in engem 
Zusammenhang damit zu sehen. Der düstere Himmel gibt 
tatsächlich die melancholische Stimmung eines gewittrigen 
Abends wieder, der eine Sturmnacht ankündigt. Ein 
Hinweis ist ebenfalls die Bemerkung über die Entschei- 
dung, in Oel zu malen, ist doch Vuillards bevorzugtes 
Verfahren bekanntermassen die Leimfarbenmalerei 
gewesen, die seinen Bildern das angestrebte matte 
Aussehen verlieh. Auch im Tagebuch von Saint-Jacut 
spricht er immer wieder von «peinture 3 la colle». 
[st die Landschaft in den «Blauen Hügeln» von 1900 noch 
im Nabis-Stil durch eine Reduktion auf wenige grosse 
Formen, eine Umdeutung der räumlichen Verhältnisse zu 
dekorativen Flächengliederungen und eine Ornamentali- 
sierung der Naturformen gekennzeichnet, gehört unsere 
Neuerwerbung dagegen bereits in die Schaffensperiode 
Vuillards, die auf den entscheidenden Umschwung um 
1900 folgt und in der die flächige Kompositionsweise seiner 
Nabis-Bilder endgültig von einer stärkeren Betonung des 
Räumlichen abgelöst wird. Nach der Rückkehr zu einer 
übersteigerten traditionellen Perspektive in den ersten 
Jahren nach der Jahrhundertwende tritt gegen Ende des 
ersten Jahrzehntes eine gewisse Beruhigung ein. Tiefen- 
und Flächenwirkung beginnen, sich auszugleichen, wobei 
die grundsätzliche Bejahung des Bildraumes ein Kennzei- 
chen von Vuillards Kunst bleibt. Mit seinem Verhältnis 
zum Raum wandelt sich auch das zum Licht und zur 
Farbigkeit. Seine Farben werden heller und leuchtender. Es 
ist die Zeit, in der die «Fauves» hervortreten und in der 
Maler wie Degas und Redon sich ebenfalls zu einer inten- 
siveren Farbigkeit bekennen. Bei Vuillard fällt diese Ent- 
wicklung mit seinem Eintritt in die Welt der Hessel und 
ıhrer Freunde zusammen. In den Darstellungen der elegan- 
ten und modischen Umgebung dieser Pariser Gesellschaft 
und ihrer luxuriösen Appartements, die in stärkstem 
Gegensatz zu der bescheidenen Wohnung und dem 
Schneideratelier seiner Mutter stehen, bildet sich eine neue 
Auffassung von Raum. Licht und Farbe heraus.
	        
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