sind nicht viele Skulpturen entstanden. In den Zeich-
nungen aus dieser Zeit des Überlebens verstärkt sich
allmählich — auch formal — Wotrubas skulpturaler Stand-
punkt, der mit voller Reife ab 1950 zum Ausdruck kom-
men sollte: die menschliche Figur, monumental und intim
zugleich. Seine Steinfiguren könnten vielleicht jede Bank-
Fassade schmücken, sein Bleistift dagegen durchlöcherte
sämtliche verfügbaren Papierfetzen ohne Stilzwang. In die-
sen Blättern bereitet sich intuitiv der Aufbruch zu einem
neuen Pathos vor, zu einer Kunst, «wie sie bei ihrer Geburt
war — einfach, klar und leidenschaftlich».
Enzo Cucchi «LA DISEGNA»: Zeichnungen 1975 bis 1988
1982 präsentierte das Kunsthaus Zürich den 1950 in Morro
d’Alba bei Ancona geborenen Enzo Cucchi in seiner ersten
Einzelausstellung in einem Museum mit seinen gross-
formatigen Kohlezeichnungen. Seitdem wurden seine
Werke von den wichtigsten internationalen Museen
gezeigt. Dabei hat Cucchi den Gedanken, Arbeiten aus
einer Werkfamilie zu einer Ausstellung zusammenzu-
fassen, zu seinem Prinzip der Präsentation gemacht. Das
Ziel unserer Ausstellung im Graphischen Kabinett und im
grossen Ausstellungssaal dagegen war es, zum ersten Mal
einen repräsentativen Überblick über die Entwicklung
seines Werkes von 1975 bis heute anhand der kleinfor-
matigen Zeichnungen zu geben. Die kleinen Zeichnun-
gen standen von Anfang an im Zentrum von Cucchis
Arbeit. Als Fundament seines künstlerischen Schaffens
geben sie direkten Einblick in den Entstehungsprozess
seiner Bildwelt. Mit dem Titel «LA DISEGNA», unter dem
Cucchi die «Mutter der Zeichnungen» versteht, wurde auf
den gleichnamigen Raum angespielt, den der Künstler mit
drei neuen, monumentalen Werken aus weissem Gummi
sigens für unsere Ausstellung gestaltet hatte.
Seit 1982 hat die Arbeit Cucchis tiefgreifende Wand-
lungen erfahren, nicht zuletzt auch durch die Einbezie-
hung der Skulptur, die inzwischen eine zentrale Rolle in
seinem Schaffen spielt. Der Künstler hat sich damit weit
von dem entfernt, was man anfangs mit dem Etikett der
«Transavantgarde» zu fassen versucht hatte. In unserer
Ausstellung und in dem handbuchartigen Katalog haben
wir versucht, einen Zugang zu den «inneren Visionen»,
archetypischen Bildern und Metaphern des Künstlers zu
finden, indem wir einige der wiederkehrenden Bildmotive
durch die Entwicklung der Jahre verfolgten.
Die Ausstellung wurde anschliessend vom Louisiana
Museum, Humlebak, vom Kunstmuseum Düsseldorf und
vom Haus am Waldsee, Berlin, übernommen.
Amor, Tod und Jenseits
Graphische Folgen von Max Klinger
In den beiden Räumen des Graphischen Kabinetts und in
der Verlängerung zum Bührle-Saal konnten aus unserer
Sammlung sieben Graphikzyklen des Leipziger Meisters
vollständig gezeigt werden: «Rettungen Ovidischer Opfer»,
«Eva und die Zukunft», «Ein Handschuh», «Ein Leben»,
«Vom Tode I», «Brahmsphantasie», «Vom Tode II». Von den
beiden anderen zur Sammlung gehörenden Zyklen «Inter-
mezzi» und «Zelt I-I» wurde nur eine Auswahl gezeigt.
Die Lektüre Schopenhauers hat prägend auf die späten
Zyklen gewirkt, in denen der Tod im Mittelpunkt steht. Das
Sterben wird dadurch in einen umfassenderen Zusammen-
hang gestellt, das vordergründige, individuelle Dasein am
Endpunkt seiner zeitlichen Entwicklung in ein zyklisches
Sein hinübergeleitet.
AUSSTELLUNGEN IM ERDGESCHOSS
Martin Disler
[m Februar 1987 hatte der 1949 im solothurnischen Seewen
geborene Martin Disler den «Preis für Junge Schweizer
Kunst» erhalten. Teil dieser erstmals von der Zürcher
Kunstgesellschaft verliehenen Auszeichnung, die in der
Regel alle zwei Jahre an Schweizer Kunstschaffende bis
40 verliehen wird, ist eine Ausstellung des Preisträgers in
den Erdgeschossräumen.
Nach einer Zeit der intensiven malerischen und plasti-
schen Auseinandersetzung in eigens zur Vorbereitung die-
ser Ausstellung angemieteten Atelierräumen in Lugano,