Volltext: Jahresbericht 1989 (1989)

Die Ausstellung umspannte die Zeit von 1840 bis 1904 
und war nach chronologisch-stilistischen Gesichtspunkten 
gegliedert. Eine erste Abteilung zeigte die noch stark wirk- 
samen Einflüsse der 1757 gegründeten Petersburger 
Akademie, aber inhaltlich bereits eine Zuwendung zu 
genrehaften Darstellungen aus dem Volksleben. Der 
Auszug von 14 Absolventen der Akademie im Jahr 1863 
führte zur Gründung der «Genossenschaft zur Veranstal- 
tung von Wanderausstellungen» und zum Programm eines 
sozialkritischen Realismus, der wohl eigenständigsten 
Ausformung russischer Kunst dieses Jahrhunderts. In einer 
Zeit der politischen Reformen trat das Volk als Protagonist 
in die Bildwelt ein. Leider musste aus konservatorischen 
Gründen auf die lehrhaften Riesenformate verzichtet 
werden, doch wurden die Anliegen der «Wanderer» in 
prägnanten Bildern u.a. von Repin, Jaroschenko, Sawizkij, 
Kassatkin bis Archipow auch so deutlich. Nach einem 
Abstecher zu einer am Naturalismus orientierten Land- 
schaftsmalerei, der ein bislang unbekanntes Frühwerk von 
Kuindshi besonderen Glanz verlieh, folgten Historien- 
bilder von Repin, Wassnezow und Surikow, welche eine 
Tendenz der achtziger Jahre zum Rückzug aus der unmit- 
telbaren Darstellung sozialer Gegenwartsprobleme 
vertraten und zu den symbolistischen, märchenhaften 
oder religiösen Kompositionen des späten Ge und Neste- 
rows überleiteten. Bedeutende Werkgruppen von Lewitan 
und Serow zeigten letzte Höhepunkte russischer Land- 
schafts- und Porträtkunst, bevor diese zu einer am Impres- 
sionismus orientierten harmlosen Gesellschaftsmalerei 
wurde, 
Die Ausstellung erlaubte nicht nur reizvolle Vergleiche 
mit der vorangegangenen amerikanischen Malerei 
derselben Epoche, sie füllte eine kunsthistorische Lücke 
und vermittelte einem zahlreichen Publikum viel von den 
schweren Problemen und dem speziellen Lebensgefühl 
einer durch die Literatur und Musik im Westen vertrauten 
Kulturnation, deren Bildwelt für einen Sommer ins 
«gemeinsame Haus Europa» zurückkehrte. 
Salvador Dali 
1904-1989 
Wie von den Organisatoren nicht anders erwartet, erwies 
sich die zusammen mit der Staatsgalerie Stuttgart organi- 
sierte Ausstellung des katalanischen Künstlers als eigentli- 
cher Publikumsmagnet des Jahres. Anfänglich zum 85. 
Geburtstag des ebenso berühmten wie umstrittenen 
«Surrealisten» geplant, wurde die erste Retrospektive 
Salvador Dalis in der Schweiz auch zu dessen erster 
Gedächtnis-Ausstellung. Ihr Anliegen war, das Lebenswerk 
des spanischen «Universalgenies», das nicht nur durch 
seine exzentrischen Auftritte, sondern auch durch wieder- 
holte Fälschungsskandale in Verruf geraten war, auf seinen 
genuinen Beitrag zur Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts 
hin neu zur Diskussion zu stellen. Um die Gesamtschau 
auf sein Werk aus dieser Perspektive heraus zu ermöglichen, 
hatten sich Stuttgart und Zürich nicht allein bemüht, trotz 
grosser Schwierigkeiten im Leihverkehr die teils weltbe- 
rühmten Bilder und Skulpturen des eigentlichen Surreali- 
sten zusammenzutragen, sondern auch den jungen Dali, 
den sprunghaft sein Stilgewand wechselnden «Impressioni- 
sten», «Kubisten», «Neusachlichen» und «Präsurrealisten», 
mit wenig oder gar nicht bekannten Frühwerken vorstellen 
zu können. 
In der streng gegliederten Architektur folgten auf eine 
«theatralische» Eingangs-Situation die ausserhalb Spaniens 
nie in diesem Umfang gezeigten Arbeiten aus den zwan- 
ziger Jahren, welche gegen Ende des Dezenniums mit 
prominenten Bildern wie Das finstere Spiel, Der grosse Mastur- 
hator und Katserliches Monument für die Kind-Frau, Gala (beide 
aus dem Legat Dali nur nach Zürich ausgeliehen) zu den 
Hauptwerken der dreissiger Jahre überleiteten. Solcherart 
in den umfassenden Kontext des Gesamtschaffens einge- 
bettet, fand sich das eigentliche Herzstück der Ausstellung, 
Dalis umfangreiche Werkgruppe aus der surrealistischen 
Zeit, auf zwei grosse Räume aufgeteilt, mit den Haupt- 
werken wie Architektonisches Angelus von Millet, Herbstlicher 
Kannibalismus, Vörahnung des Bürgerkriegs oder Der Schlaf. 
Zudem war es gelungen, die weithin verstreuten Bilder und 
Zeichnungen Dalis aus der ehemals berühmten Surrea- 
lismus-Sammlung des anglo-amerikanischen Exzentrikers 
Edward James zu einem grossen Teil in der Ausstellung wie- 
der zu vereinigen.
	        
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