Volltext: Jahresbericht 2001 (2001)

ALEXAND RE HOLLAN 
Alexand re H ollan ist in Ungarn auf dem Land und in 
der Hauptstadt Bud apest aufgew achsen . Da er nicht 
aus Arbei terverhält ni s sen stammt, sind seiner Lauf- 
bahn als Künstler von Anfang an Grenzen gesetzt. Im 
Jahr 1956 verlässt er mit 23 Jahren seine Heimat und 
fin det eine neue in Paris, wo er an der Kunstakademie 
zugelassen wird und an der Ecole Nationale Supérieure 
des Arts Décoratifs ein vierjähriges Studium absolviert. 
Von 1963 bis 1978 reist er mit seinem Renault 4L, den 
er zum «atelier roulant» umbaut, kreuz und quer durch 
die französische Lan dschaft auf der Suche nach einem 
Ort, der seinen künstlerischen Intentionen en tspri cht. 
In diesen fünfzehn Jahren stellt Hollan nicht aus. Er 
entdeckt die Malerei von Rothko, Kline und Morandi, 
die für die Entwicklung seiner Malerei und Zeichnung 
ausschlaggebend werden. Im Jahr 1984 kauft H ollan 
ein kleines Landhaus im Hé rault, im Südwesten Frank- 
re ichs, wo er seitdem jeden S ommer mehrere Monate 
verbringt. Im Winter arbei tet er in seinem P ariser 
Atelier. Dieser zweitaktige Lebensrhythmus prägt auch 
sein Werk, das fast aus schli esslich aus Arbeiten auf 
Papier besteh t. In Paris malt und zeichnet er meist 
farbige Stilleben, für die er, ausgehend vom holländi- 
schen und deutschen Begriff, den Titel vie silencieuse 
verwendet. In Südfrankreich entstehen dagegen die 
meist schwarz en Zeichnungen nach ausgewählten, frei 
wachsen den Bäumen in der Landschaft. Seit 1985 
tauscht er seine Erfahrun gen mit dem Schriftsteller 
und Lyriker Yves Bonnefoy , der auch die aufschluss- 
reichsten Texte über den Künstler geschr ieben hat. 
«Die Bäume sind meine Lehrer.» Hollan, der schon 
früh began n, seine Überle gunge n in knappen, präzi sen 
Sätz en zu formulieren, we iss, was er di esen sti llen und 
ausdauer nd en Widerstandskämpfern der süd franz ösi- 
schen Garrigue verdankt. «Der Baum spri cht an. Er 
spri cht eine u ralte Sprache, eine andere als die mensch- 
li che. Er übertr ägt eine elementare Bewegung. Er 
löscht das allzu Bekannte aus.» Aber: «Der Baum ist 
unsichtbar», denn das Erscheinungsbild trü gt, es fesselt 
den Blick an die Form, z erfällt in eine Vi elfalt von De- 
tails, während der Blick seinerseits sich von der Bewe- 
gung lei cht verführ en läs st, schne ll ermüdet und sich 
im leeren Raum verliert. Die Tore zum unmittelbaren 
Erkennen des Sichtbaren sind verriegelt, es gilt eine 
Hintertüre ausfindig zu machen, um das Phän omen in 
sein er ganzen Komplexität zu erreichen und selbs t für 
di eses erreichbar zu werden. Ho llans «Methode» 
gründet auf einfachen T echniken des V erhaltens und 
des Sehens, die er sich im Kontakt mit seinen Lehrern, 
den Bäume n, den alten Meistern der Lan dschaftsmale- 
rei, der Mystik und der Philosophie westlicher und 
östli cher Provenienz durch jahrelanges Studium ange- 
wöhnt hat. Mit zunehmender Meisterschaft, und diese 
hat H ollan in sei nen grossen Kohlezeichnungen zwei- 
fello s erworben, ordnen sich auch die Gedanken zu 
einer lockeren Sammlun g von Grun dsätz en über den 
ei ng eschlagen en Weg. 
Erste Etappe: «Schn ell sehen , gross sehe n.» H ollan 
kehrt stets zu den gleichen Bäumen zurück. Alte, 
wetterbestandene Ei chen eignen sich für diese Übung, 
weil sich der Lebenswille des Baumes durch Bewe- 
gungsverläufe mitteilt, die bald in die sichtbare Form 
einmünden, bald über sie hinausführen. Es gilt, sich 
di esen Bewegungen ganz zu überlassen, was durch kein 
Medium besser gelingt als durch das Zeichnen. H ollan 
gewöhnt sich an das Arbei ten in Serien. Durch 
Wiederholung entstehen in ein bis zwei Stunden fünf- 
zehn bis dreissig Skizzen, mit Pinsel aufgezeichnete 
Impressionen von Lebenslinien eines Baumes, die 
entfernt an die kalligraphischen Zeichen eines Zen- 
Meisters erinnern. 
Zweite Etappe: «Be obachten , Zeichnen, Weglas- 
sen.» Der Blick wendet sich wieder der Form zu, 
vermeidet das Austrocknen in der Abstrak ti on eben so 
wie das distanzierte, isolierende Beobachten von 
aussen. Als T echn ik empfiehlt sich das Arbeiten mit 79
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.