Volltext: Jahresbericht 2001 (2001)

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BRIDG ET RILEY 
Das Ku nsthaus freut sich über das Gemälde Shade, 
1981, der englischen Künstlerin Bridget Riley (*1931), 
das der Zür cher Sammler Werner Merzbacher zum Ge- 
schenk machte (Abb. 11). Bridget Riley feierte jüngst 
bei Ausstellungen in London und New York eine 
Wiederentdeckung, die genau ge nommen eine späte 
Anerkennung ist. Ri leys Weg verlief konsequent von 
der Op Art der siebziger Jahre zu den abstrakten, str eng 
geometrischen Kompositionen, in denen die Farbe 
und ihre Wirkung die zentrale Rolle spielen. Das 
K unsthaus hat nun, aus dem Atelierbestand der Künst- 
leri n, eines der rar gewordenen Gemäld e mit vertika- 
len farbigen Streifen aus den frühe n achtziger Jahren 
erhalt en, das zur Grup pe der so genannten Äg yptischen 
Bilde r der Jahre 1981 bis 1984 ge hört. Die Bi lder 
basieren fast durchweg auf fünf Farben – Ziegelrot, 
Ockergelb, Blau, Türkis und Grüngelb – und sind von 
den Malereien in altäg ypt ischen Gräbe rn inspiriert, die 
Bridget Riley bei einer Reise 1979/80 im Tal der 
Könige gesehe n hatt e. Neu an di eser Serie ist die wand- 
artige Geschlossenheit der präzi se ponderierten Farb- 
streifen, die den Kompositionen eine mon umen tale 
Aura verleihen. Wie ein Kontrapunkt ve rhält sich dazu 
die Wirkung auf den Betrachter , denn durch die 
Gegenüberstellung kontrastierender Farben en tsteht 
der Eindruck eines bestän dig en Vibrierens der Ober- 
fläche, der wie ein R eflex der Wechselwirkung von 
Lic ht, Farbe und Hitze in der ägy pt ischen Wüste wirkt. 
Die op tische Irritation des Bet rachte rs, genauer: seines 
Sehsinnes, gehört zum Konzept der Künstlerin, das sie 
mit dem Begri ff «The Thinking Eye» umschreibt. 
W ahrne hmung ist gleichermassen ein physiologisches 
wie ein psychologisches Phänomen, wobei die Grenzen 
im Kunstwerk buchstäblic h verschwimmen und sich 
aufheben. Der Begriff «sensation», den Bridget Riley 
gern verwendet, trifft es in angelsächsischer Doppel- 
deutigkeit recht gen au; im Deutschen oszilliert er zwi- 
schen den Bedeutungsebenen der sinnlichen Erfah- 
rung, Empfindsamkeit und plötzlicher Erregung. 
Die Gruppe der V ertikalkompositionen hat in 
Bridget Rile ys Entwicklung besondere Bedeutung: 
Während und un mit telbar nach der Ägyptenreise 
änd erte sie ihren Stil, indem sie sich von den opt ischen 
Experimenten der sechziger und siebziger Jahre einer 
strengeren, durch die Farbe bestimmten Methodik 
zuwandte und durch subtile Irritation glei chsam das 
Sehen selbs t auf die Probe ste llte, ganz im Sinn einer 
Beruhigung nach den aufger egt en Zeiten der Pop Art 
und des Action Painting. Shade steht in der Sammlun g 
des Kunsthauses im Zusammen hang mit der interna- 
tionalen Kunst der siebziger und achtziger Jahre, die 
durch das grosse Konvolut amerikanischer Malerei auf 
der einen und die eur op äischen Positionen der vorwi e- 
gend deu tschen Künstler auf der anderen Seite 
bestimmt ist. Zugleich en thält Shade einen subtilen 
Kommentar zur geometrischen Abstraktion, der sich 
Bridget Riley nicht verpflichtet fühlt. Ihre Bilder sind 
zweifellos abstrakte Kunst, aber sie beruhen nicht 
auf mathemat isch ausgek lügelt en Konstruktionen, 
sond ern bieten primär sen suelle Erfahrun gen : die 
Augen des Be tracht ers de nken mit. 
Das Gesche nk von Werner Merzbacher stellt eine 
markante und willkommene Bereicherung unserer 
Sammlung dar, zugleich ist es ein schön er Beweis für 
die V erbundenheit der P rivat s ammler mit den A ufga- 
ben des öffentlichen M useums.        Christo ph Becker
	        
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