Volltext: Jahresbericht 2008 (2008)

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FRANZ GER TSCH 
FRANÇOISE, 1967 
Seine so genannte kurze «Pop-Phase» der späten 
Sechzigerjahre wird von Franz Gertsch selbst seinem 
Frühwerk zugerechnet. Die eigentliche Entfaltung sei- 
nerArbeitsetztfürdenKünstler1969mitderHinwen- 
dung zur hyperrealistischen Malerei nach der Vorlage 
eigener Fotografien ein,und siesetzt sich ab1986fort 
in den Serien grossformatiger Holzschnitte. Dennoch 
– Gertschs in den Jahren 1967 bis 1969 geschaffenen, 
schablonenhaft reduzierten Collagen und Gemäl- 
de nach gefundenen Fotografien haben bis heute als 
eigenständiger und frischer Beitrag zur europäischen 
Malerei der mittleren Sechzigerjahre Bestand. So 
schätzt sich das Kunsthaus glücklich, eines der beiden 
Hauptwerke dieser Serie aus der Ausstellung Euro pop 
direkt vom Künstler für die Sammlung erwerben zu 
können. 
Bei unserem Bild, «Françoise», ging Gertsch von 
einer Fotografie der in den sechziger Jahren inte r- 
national populären französischen Schlagersängerin 
Françoise Hardy aus. Leider hat sich die verwendete 
Vorlage, die gemäss Gertschs Erinnerung aus einem 
französischen Popmagazin stammte, nicht erhalten. 
Bislang liess sich lediglich eine ähnliche, sicher beim 
selben Fototermin entstandene Fotografie Ha rdys auf- 
finden, sie zeigt einen etwas anderen Bildausschnitt. 
Franz Gertsch glaubt jedoch, die Fotografie seinerzeit 
ohne jegliche Veränderung der Komposition über- 
nommen zu haben. Verschollen ist zurzeit leider auch 
die Collageversion des Motivs, denn wie bei «Mireille, 
Colette, Anne» ( 1967, Privatsammlung), dem anderen 
Hauptwerk jener Zeit, stand am Anfang nicht das Lein- 
wandbild, sondern eine grossflächige, formidentische 
Collage.DiesehatGertschinderFolge– er erinnert 
sich nicht mehr genau vermittels welcher Tech nik – 
vergrössert auf die Leinwand übertragen. Die verwen- 
deten Dispersionsfarben stellte er selbst her. 
Auch das Gemälde «Françoise» setzt wie die 
ursprüngliche Collage die illusionistische fotografische 
Vorlage in eine rein flächige, aperspektivische Darstel- 
lung um. Die Figur wird reduziert auf drei Flächen: 
Kopf, Rumpf und Beine; die Karosserie des Rennwa- 
gens wird in einem kräftigen Rot ausgefüllt, die Reifen 
und die Radaufhängungen sowie der Kopf des Piloten 
(oder sehen wir lediglich eine leere Kopfstütze oder 
einen Überrollbügel?) bleiben weiss ausgespart wie 
auch die Startnummer auf der Schnauze des Wagens. 
Diesalles–alsojeeinegelbe,grüneundroteFläche, 
dazuvierweisse– wird auf einen schwarzen Hinter- 
grund gestellt, eine räumliche Illusion entsteht, indem 
dasselbe Schwarz auch das Oval des Kühlergrills fül lt. 
Die formale Gestaltung ist so simpel wie raffiniert, und 
vor allem weist sie auf noch andere kunsthistorische 
Kontexte der Entstehung desWerkshin als auf denje- 
nigenderPopArt.Freilich,eswird ein Pop-Motiv ver- 
wendet, doch der popkulturelle Kontext wird weitge- 
hend ausgefiltert; die Sängerin selbst und ihre Schla- 
ger interessieren Gertsch hier wenig. Eine verschämte 
Hommagewomöglich, doch wir sind weitwegvonWar- 
hols huldvollen Meta-Starporträts oder der Ikonogra- 
phiedesPopheldentumswiesiesichin der britischen 
PopArt,etwabeiPeterBlake,findet.GertschsGemäl- 
de zeigt letztlich bloss eine schlanke junge Frau, die 
sich leicht provokant-dekorativ mit gespreizten Beinen 
auf die Hinterradaufhängung eines Rennwagens stellt 
und sich vornüberbeugt, um sich auf demHelmdes Fahrers abzustützen. Ein zig der Werktitel «Françoise»
	        
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