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ihnen in sich hat. Jedes gute neue Bild hat kubistische und
futuristische Elemente und es ist ein Rufzeichen, dass die ägyp
tische Kunst schon die eckige Flächenvernichtung kannte; nicht
nur in ihren Pyramiden, die grösser sind und mächtiger als
sämtliche Bauwerke des Abendlandes; auch in ihren Bildwerken,
deren oft fast geometrische Auflösungen, deren unanatomische
Gliederverrenkungen an Picasso gemahnen und konzentriert das
enthalten, was alle wahre Grösse in der Kunst bedeutet: Stil.
Er ist das geistige Auflösen des Gegenstandes in der Idee, um
von ihm sich zu befreien und in ihr zu erlösen. Diese Idee,
völlig intuitiv, ist letzten Endes ein Mysterium. Sein Vorhanden
sein ist dann unanzweifelbar, wenn jene seltsame Ruhe über das
Auge ins Herz kommt, die selbst ein Mysterium ist.
Es wirkt aus den Werken Christian Schads. Dieser Maler
hat früh den Wort- und Bildwust der Kunstmacherei von heute
niedergetreten, indem er den Gegenstand nie fallen Hess wie
jene aus Schwäche Zuweitgegangenen, die dem Auge eine Farben-
und Flächenmusik machen wollen, für welche das Organ zu
haben man sie behaupten lassen muss; vielmehr im ersten An
fang schon ebenso wie in der ersten Reife den Gegenstand so
aufzulösen strebte, dass es ein Exempel wird, dessen Resümee
an den aufgerichteten Teilergebnissen sich von selbst kontrolliert.
Die Idee ist da, denn sie ist geworden. Für jene ist sie geworden,
weil sie da ist. Aus diesem klaffenden Unterschied steigt sich
selbst beweisend die Kraft, sich unnahbar verhüllend die Schwäche.
Christian Schads Kraft bewies sich, nachdem sie, gleichsam prak
tisch sich orientierend, fast alle Stilwege sicher begangen hatte,
um freiwillig wieder umzukehren, erstlich in einer schon weit
zurückliegenden Arbeit, dem „Heiligen Sebastian", dessen Linien
und Flächen zerrissen und zerhackt werden, als müsse der Schmerz
des Märtyrers in viele kleine Fetzen und Splitter zerstücken, und
nur die Pfeile sitzen scharf und fest. „Absalom“, der wollüstig
gekrümmt an seinen Haaren schaukelt, ist wieder straffer und
linearer gleich der „Illustration“ und der „Geisselung“, die um
den stets reizenden Rythmus der Bewegung sich nküht und ihm
bis auf die Haut der Leiber nachjagt, wo sie ihn schwarz er
trinken lässt oder weiss verflimmern. Die „Verkündigung“, die
die Fläche windet und wie verknüllt und so sehr viel Entgegen
gedrängtheit und Zurückweitung aus ihr herauszieht, ist eine
grosse Stufe, welcher, obwohl scheinbar ohne entwicklungsmässigen
Zusammenhang, eine Reihe durchaus kubistischer Holzschnitte
und Radierungen folgen, die dann erklärend ?upi ersten völlig
reifen Werk führten, dem Porträt auf Seite 23. Hier ist die
Kontur mit verblüffend sicherer Kraft zerschlagen und durch kurzes
Zerschneiden der Linien und eckiges Auflösen der Flächen die
unterirdische Richtung eines Gesichts so ununterbrochen herauf