182
Rede in Wien, jetzt, beim Beginn der Offensive, neuer
dings die Bündnistreue Oesterreich-Ungarns in einer
Weise und mit einer Bestimmtheit proklamieren, die
dem bockbeinig gewordenen Wiener Hof keinen Rück
zug unid kein Ausweichen mehr möglich mache. Tisza
verpflichtete sich hierzu ohne Zögern und ließ Czernin
wissen, er möge eine solenne „Bündnisrede“ vor
bereiten.
Czernin gehorchte; er erpreßte Rumänien mit
deutscher Unterstützung die traurig berühmt gewor
denen „Grenzberiohtigungen“ zugunsten Ungarns und
setzte seine Rede auf.
Es steht fest, daß Czernins Rede von Anbeginn
kein Wort von einem angeblichen Unterhändlungs-
versuch Clemenoeaus (der nie existierte), noch irgend
eine ähnliche Anspielung enthielt. Die nachmalige
sogenannte „Enthüllung“ in Czernins Rede war Graf
Stephan Tiszas eigenstes Werk. Der Vorgang war
folgender gewesen;
Bei der Nachricht von den Rumänien erpreßten
Grenzberichtigungen geriet Kaiser Karl in größte Er
regung, weil Graf Czernin entgegen den formellen In
struktionen seines Monarchen gehandelt hatte. Zwi
schen Kaiser und Minister erfolgte ein ziemlich „leb
hafter“ Depeschenwechsel, der schließlich mit der
dringenden Berufung Czernins zum Vortrag, soll
heißen zur Aufklärung nach Wien endigte. Selbst
verständlich hielt Czernin den Grafen Tisza über diese
Vorgänge auf dem laufenden. Tisza befürchtete einen
mehr als energischen Widerstand des Kaisers gegen
die Grenzberiohtigungen, vielleicht gar eine Ablehnung
oder einen Befehl zu neuen, mildern Verhandlungen,
und so zögerte er nicht vor dem echt Tisizaischen infer
nalischen Gedanken, Czernin als Werkzeug zu benüt
zen, um, wie er sich ausdrückte, „dem jungen Herrn
in Wien seine antimagyarischen Grillen auszutreiben“.
Tisza, von dem eine hohe Dame kürzlich sagte, er
besitze in jedem Korridor der Wiener Hofburg einen
Spion, kannte genau so wie Czernin den Wortlaut des
Kaiserbriefes an den Prinzen Sixtus. „Irgendwie“ war
der Inhalt auch in seine Hände gekommen. Mit An