Den jungen Berner Ernst Morgenthaler haben auf seiner
ersten Fahrt nach Zürich nicht die Musen geleitet. Er kam,
um in zweijähriger Studienzeit an der Seidenwebschule
sich das Rüstzeug für Erfolg in der Seidenindustrie zu er-
werben. Vorausgegangen waren von kindlichen Erlebnis-
sen ausgefüllte ländliche Jugendjahre im bernischen Klein-
dietwil bei Ursenbach, eine weniger helle, mannigfach be-
drückte Schulzeit im Gymnasium der Hauptstadt und
eine Lehrzeit in einer Berner Seidenspinnerei. Auf die
Zürcher Seidenwebschule folgte zweieinhalbjähriges Be-
mühen in einem Büro des großen Seidenhauses Schwarzen-
bach in Thalwil. Thalwil und Zürich wurden der Schick-
salsort für den jungen Menschen und für den Künstler.
In dem Denkmal, das er ihm wie ein väterlicher Freund
auf das Jahr des fünfzigsten Geburtstages errichtet hat,
entschleiert Hermann Hesse mit der behutsamen Ein-
fühlung des Freundes und der Darstellungskraft des
Dichters das tüchtige bernisch-bürgerliche Herkommen
des Jünglings bis zurück zum Großvater und die durch
Hindernisse und Umwege von außen und innen her
komplizierte Entwicklung bis zum Beginn des Mannes-
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kunsthaus zürich