Die Kunst ist. Sprache, Verständigungs- und Ausdrucksmittel. Es
gilt für sie die Umkehrung: Das Mittel heiligt den Zweck. Außer-
Künstlerische Zwecke und Stoffe werden durch die künstlerische
Fassung in ihrer Bedeutung gehoben, oft auch ihrer Bedeutung
enthoben, wenn das Kunstwerk sich über sie emporschwingt, weit
in die Region des Unbedingten. So darf man wohl glauben und
sagen, daß Thema und Inhalt der Kunst die Form ist.
Wenn für die bildende Kunst die Form aus dem Drei-
Brunnen Zeichnen, Malen, Formen (hier nur Bemühung
um die plastische Form) strömt, den Bereichen der Linie,. von Licht
und Farbe, der Spannung der Gewichte, in Zeichnung, Malerei
und Plastik, so versuchen die jetzigen Ausstellungen am See und
im Kunsthaus, das Schweizer Volk in dem Bereich der Kunst am
Werk zu zeigen, dabei die Bewegung mehr als ihre allfälligen
Führer, und mehr die Intensität und allgemeine Richtung der Be-
wegung als ihre Ergebnisse im einzelnen.
Die ganze schweizerische Künsflerschaft hat für die Ausstellung
im Kunsthaus die Möglichkeit erhalten, sich einer aus
Künstlern zusammengesetzten Auswahlkommission zu stellen.
Die Ausstellung zeigt sich nicht als ein Stück mit strahlenden
Solisten vor anonymem Hintergrund, sondern als voller und
gesunder Schweizer Chorgesang, in dem die Stimmen wohl
dem aufmerksamen Horcher auch einzeln vernehmlich sind, doch
aus dem ganzen nicht herausfallen. Mehr als sechshundert
Werke von mehr als dreihundert Künstlern aus einer sechsmal
größeren Werkzahl von einer dreimal größeren Zahl von Ein-
sendern sind ausgestellt. Die reiche, fast übergroße Zahl von aus-
übenden Künstlern und die Verbreitung ihrer Arbeiten durch das
ganze Land und Volk erhalten den Boden und die Atmosphäre,
die immer wieder in der Schweiz auch einzelne Figuren von euro-
päischem Gewicht haben erstehen lassen; wie in der satten Lösung
von gleichmäßig dichtem Gehalt unversehens und plötzlich der
Kristall zusammenschießt.
W. Wartmann.
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