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Schicksale eines falschen Whistlers.
Vor einiger Zeit war in einer der vornehmen Kunst
handlungen der Avenue Malakoff in Paris ein Stilleben
ausgestellt, das die Signatur »Whistler . . . 1859« trug.
Ein sehr unberühmter Maler namens Sassy, der das Bild
in der Auslage bemerkte, erkannte in ihm eines seiner
eigenen Werke, das er vor einigen Jahren erst an einen
der kleinen Händler an der Seine um den Preis von 85Frc.
verkauft hatte. Damals allerdings hatte es die viel be
scheidenere Signatur: Sassy — 1910. Er trat in die vor
nehme Kunsthandlung ein und erkundigte sich nach dem
Preis seines umgetauften Bildes. Die Antwort lautete:
»150000 Frc. Aber es ist verkauft.«
Die Auskunft, die daraufhin der Maler Sassy dem Kunst
händler machte, führte im weiteren Verlaufe zu einer ge
richtlichen Untersuchung, die folgendes über das Schicksal
des falschen Whistler zutage förderte: Das Bild wurde 1911
in London um den Preis von 500 Frc. gekauft,- von
dort aus kam es nach Paris zurück, wo es in einer Galerie
27 rue Lafitte auftauchte. Sein Preis war jetzt 2000 Frc.
Es ging dann in den Besitz eines Sammlers über, von dem
es ein Industrieller erwarb. Zuletzt landete es in der Ga
lerie Fiquet, die es um 150000 Frc. schon verkauft hatte,
als der wirkliche Schöpfer des Bildes dessen Ruhm zerstörte.
J. P.
Deutsche Kunstausstellungen im Aus-
lande.
Am 25. ds. Mts. schließt die Internationale
Ausstellung in G e n f, auf der die Galerie Neue
Kunst Hans Goltz eine repräsentative Aus-
wähl aller von ihr vertretenen Künstler gezeigt
hat. Nun ist auch Spanien an die Galerie
Neue Kunst Hans Goltz mit der Auffor-
derung herangetreten, an einer im Premier
Salon des Independants, Madrid statt
findenden Ausstellung teilzunehmen. Hans Goltz
wird dieser Aufforderung folgen und als Gegen
leistung eine Kollektion spanischerKünstler,
die sich um D e 1 a u n a y gruppieren, im Laufe
des Monats Mai in den Räumen seiner Galerie
ausstellen.
Mitte Januar wird im Rudolfinum in Prag
eine von der tschechischen Malergruppe »Die
Unen twegten« veranstaltete Kunstausstel
lung moderner deutscher Maler eröffnet.
Es werden ausstellen: Die Deutschböhmen
Friedrich Feigl, Alfred Justiz und Egon Adler,-
die Reichsdeutschen Pechstein, Segall, Paul
Klee und die »Jungen Dresdner« und die
Tschechen Späla, Zrzavy, Josef Capek und
Vladislaw Hofmann.
Hüben wie drüben dasselbe Bild: es ist die
zeitbewußte Jugend, in der der Geist der Ver-
söhnung, der Wille zur Verbrüderung, die
Achtung vor fremder Art lebt und wirkt. Es
lohnt sich darüber nachzusinnen, wie sich Europas
Schicksal gestaltet hätte, wenn nichf Greise mit
den abgelebten Ideen eines verflossenen Jahr-
hunderts die Architektur des neuen Europas
entworfen hätten.
Paul Klee hat eine Berufung als Meister am
Weimarer Bauhaus erhalten.
Wilhelm S chnarrenberger soll eine Lehr-
stelle an der Karlsruher Akademie übernehmen.
La Fauconnier kehrt nach langjährigem
Aufenthalt in Holland wieder nach Frankreich
zurück.
»Eine Ausstellung junger französi
scher Kunst« hat im Oktober—November
vorigen Jahres in Barcelona <Galeries Dalman)
stattgefunden.