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brüllen Wui. 1916 hai man sie zu maßlosen Zuchthaus-
strafen verurteilt, als sie sich gegen den Massenmord
wehren wollten: sie haben gelernt, Blut spielt keine Rolle,
ln Köln genügen fünfzig Mann, um die Stadt in Aufruhr
zu bringen. — Hannover, die Erzzitadelle der Lutherpfaffen
und Dunkelmänner ist schon von ihnen beseht. Aber
Berlin harrt noch der Eroberung. Berlin, wo man den
Wellkrieg losrasen lieh, das Hauptnest der unmenschlichsten
Banditen und Bluthunde, der Zentralpunkt des Völker-
schlachihauses, von wo aus Millionen um Millionen in den
Tod gejagt wurden, das „Spreeaihen“, in dem die Menschen
wie Eulen und die Eulen wie Menschen lebten. — Berlin
ist noch nicht frei. Von allen Seiten werden Vorstöße
versucht. Kein Zug darf herein, rings um die Hauptstadt
sind die Schienen verbarrikadiert; man kann es nidit
glauben, daf; ein Volk, da| immer auf Befehl stramm ge
standen hat, gegen seine Herren und Meister zu den
Waffen greift. Man denkt noch im lebten Moment, wo im
Lande schon über das fernere Schicksal der Nation ent
schieden ist, sich hier, wo der Unteroffizier seine tollsten
Orgien gefeiert hat, einen Altar rein kaiserlicher Ansdiauung
zu bewahren. Noch am Rande des Grabes, bedroht von
dem Wutgeschrei der ganzen Welt, haben die Linsingen
das Vertrauen, die Welt nochmals von Berlin aus zu unter
drücken. Ludendorff muhte gehen, aber jeder Leutnant
macht sich eine Ehre daraus, ein Vertreter dieser Eisen
fresser-Weltanschauung, ein Priester der Religion der
„Realpolitik“ zu sein, auf die man schwört, als ein heiliges
Vermächtnis Bismarckischer Generationen. Aber es zeigt
sich die Wahrheit, dah gegen eine Idee und wäre es eine
falsche, alle Schuhwaffen machtlos sind. So sind die
Generäle am Ende gezwungen zu kapitulieren, rote Fahnen
über der Menge, die Revolution siegt. Nur selten fallen
Schüsse, der Reichstag wimmelt von Abenteurern und
Stellungsjägern, die mit der Geste lange verkannter
Fähigkeiten eine neue Regierung stüben möchten, um mög
lichst viel für sich dabei zu gewinnen. Der Elan des Volkes
erscheint elementar, sodah alle diejenigen, die den Deut
schen nichts zutrauten, am wenigsten ein revolutionäres
Gefühl, an ihre Brust schlagen und plöblich an die Er
scheinungen der deutschen Geschichte glauben möchten,
die in geistigem Sinne etwas bedeutet haben. Das Bild
der Stadt ist für uns Phantasten nicht weniger bunt als
Paris zur Zeit seiner klassischen Revolution, und die Autos,
die Maschinengewehre, die Bahnhöfe machen das Ganze
furchtbarer, unheimlicher, wüster. Die Autos mit Bewaff
neten werden zum Charakteristikum: vor dem Schlob stauen
sich Menschen und Wagen zu unübersehbarem Knäuel,