ihrer Bedrängnis die itmen zugedachten Posten, die vielleicht Vorposten sind.
Es wäre gemein zu fordern, daß Einer, der seiner Abstammung nach in gleichem
Maße zwei Nationen angehört, heute die eine oder andere verleugne. Heute
nicht I Vor all dem vergossenen Blut erhebt sich heute die Stimme des Blutes
lauter als alles, wie es heute in einem Halb-Romanen Deutschlands aussieht,
das weiß kein Deutscher und kein Franzose, das kann nur sein Echo finden in
der (Qual eines Halb-Germanen in Frankreich. Denn wie die eingestürzten Häuser
unserer Grenzorte, die wechselseitig umstritten, von den Rugcln beider Gegner
zerschossen liegen, so sind wir in uns selber zusammengestürzt.
Du weißt: ich habe mich von meinen deutschen Landsleuten nur dadurch
Vielfach unterschieden, daß ich immer so stolz darauf war ihnen anzugehören
und, daß ich im Ausland mir der aufgezogenen Fahne meines Deutschtums so
begeistert herumging. Du hast auch gehört wie unermüdlich ich ihnen zurief:
Die Verschmelzung Eurer Wesensart mit der Eurer westlichen Brüder ist für
das Heil Europas unerläßlich und die Stunde für eine Anleihe ihrer (Quali
täten hat geschlagen. Denn nicht eher seid Ihr die Berufenen. Jawohl! Ich
weiß es schon, Ihr seid tiefer, gründlicher, männlicher, Ihr seid auch vielleicht
reicher besaitet, Euer Geist ist weiter ausgebuchtet. Aber Ihr habt die poli
tischen Lehrjahre noch nicht hinter Euch! Ihr seid die politisch Ahnungslosen,
die politisch Ungeschulten, die Unpolitischen par excellence. Ihr versteht es nicht
mit den Franzosen auszukommen, was noch alle anderen Elationen fertig brachten.
Es ist gar nicht so schwer. Nur sachte! rief ich ihnen voll Besorgnis zu. Nicht
so schnell! Um Gottes willen was macht Ihr da! Falsch!
Leute wie ich, die zu ihrer (Qual (denn in keinem Lande sind sie ganz da
heim) eine Versöhnung der heterogenen deutschen und französischen Elemente
Verkörpern, waren sicherlich vor allen Anderen befugt, ihre Meinung abzugeben.
Die Rluft war ja so groß geworden, daß wir allein, die Mitte Weges standen,
sie überschauen konnten. Doch wer achtete unser? — sie wußten es besser, hier
wie drüben; und da alles fehlschlug, zog man es vor die Franzosen für er
ledigte, die Deutschen für vernichtbare Leute zu halten. Nichts von all dem! —
Indessen glauben sie's noch immer! Ach und mir dünkt es ist gerade genug
für ein Menschenherz seinen Jammer und seine Sorge um die Not eines Volkes
in unseren Tagen zu bewältigen. Aber Leute wie ich werden auch noch am
Tage des Sieges sich verkriechen müssen. Denn immer wird es Jerusalem und
seine Rinder sein, um die sie weinen werden. Ach wir sind es, die hätten
sterben sollen!
Annette Rolb