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Jahresbericht 1917 der Zürcher Kunstgesellschaft
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mütigkeit», zum «Blick ins Unendliche» und zur «Schlacht bei Murten» eine nochmalige
Wandlung und Sammlung. Zur Harmonie der Umrisse, der überzeugenden Kraft der
Bewegung tritt jetzt sichtbarer als bisher eine reife Fülle und Sattheit des Ausdrucks
und der Form, die das Wort «plastisch» nur teilweise charakterisiert. Dies bedeutet das
Neue gegenüber den vor 1912, das heisst vor der Durchführung der jüngsten grossen Wand-
gemälde entstandenen Zeichnungen. Schliesslich eröffnete auch die grosse Ausstellung
des letzten Sommers manche Ausblicke in bisher kaum geahnte Tiefen und Weiten des
Hodlerschen Lebenswerkes, dem Kunsthaus brachte sie erweiterten, dauernden Besitz an
Gemälden, der die Zürcherische Hodlersammlung überhaupt auf eine neue Grundlage stellte.
Dies alles machte den Ausbau auch für die Sammlung der Zeichnungen mıt Werken aus
der neuen Zeit zur einfachen Pflicht. An Hand der Bestände der Ausstellung wurde eine
vorläufige Wahl getroffen. Bei den persönlichen Unterhandlungen im Herbst legte der
Meister selbst in freundlichster Weise da und dort noch ein Blatt dazu, das für die
Zürcher Sammlung besonders wünschbar schien, so dass sie zuletzt um 31 Zeichnungen
bereichert wurde; der ersten Absicht entsprechend meist Blätter aus den letzten 5 Jahren;
dank der Freundlichkeit des Künstlers finden sich darunter aber auch einige sehr wert-
volle ältere, die die ursprüngliche Sammlung wirksam und willkommen abrunden.
Die Abbildungen dieses Berichtes im Text und auf den Tafeln geben von der
Art dieser neuen Zeichnungen einen Begriff, nur schade, dass die starke Verkleinerung
mit der Weiträumigkeit der Fläche und der Breite des Striches auch manches vom
Schwung der Bewegung, der Wucht der Gestalten und der Ansehnlichkeit der stattlichen
Blätter überhaupt unterdrückt. Für den Wandel in der zeichnerischen Form, von der
ausdrucksvollen Umrisslinie zu knapp gefasster äusserer Umschreibung und stärker
wölbenden Innenformen spricht zum Beispiel eine Vergleichung des «Mäher» auf Seite 7
mit dem «Krieger» zur «Schlacht bei Murten», auf Seite 18. Der Mäher gehört zu den
Banknotenentwürfen der Jahre 1909/10 und steht wahrscheinlich dem Modell noch ziemlich
nahe. Hurtig läuft die Bewegung von den Füssen aufwärts über die Hüften gegen Schulter
und Hals und weiter über Schulter und Arme hinab in die Spitze des Sensenblattes. Das
in allen Teilen der Komposition anklingende Dreieck, wie es schon durch Sense: Schulter:
Füsse, dann durch Sense und rechtes Bein und durch die beiden Beine selbst noch einmal
betont ist, gibt der Figur Festigkeit und Klarheit. Sie ist dabei aber vorwiegend von
aussen zusammengehalten, von Linien, die .neben ihrer Funktion im Aufbau der Figur
noch etwas wie eigenes ornamentales Leben besitzen. Die Figur des Mähers erscheint
locker und fast dekorativ neben dem von unerhörter Spannung bis zum Bersten angefüllten
Mürtenkrieger, einer Studie von 1916 oder 1917 zur äussersten Figur rechts in dem
wilden Stechen, das als Gegenstück zum «Rückzug von Marignano» die Waffenhalle des
Schweizerischen Landesmuseums schmücken wird. Umriss und Innenformen sind von
einer kaum mehr zu überbietenden Knappheit und Zielsicherheit. Der Körperbau des
Modells — es ist wieder ein Bildhauer, J. Vibert, wie vor zwanzig Jahren Rodo v. Nieder-
häuserr in der letzten Fassung des «Rückzug» für eine ähnliche Figur hat dienen müssen —
und der Wille des Künstlers sind bis ins letzte in der Form aufgegangen. — Zwischen diese
beiden Studien stellt sich die Zeichnung zur Mittelfigur der «Einmütigkeit», S. 41. Auch da
überwiegt die straffe Gesamtform, mit grosser Gliederung und einer stärkern körperlichen
Wirkung als etwa der «Mäher» sie zeigt. Aber im Lauf der Linien und in der ganzen