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Jahresbericht 1939 der Zürcher Kunstgesellschaft
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Märchenerzähler der Sammlung Boner. Zum Nachweis einer allfälligen direkten Notiz für
Figur und Landschaft stand bisher nur das Album des Baron Vitta zur Verfügung, dessen
Facsimile-Ausgabe das Kunsthaus als Geschenk des Sammlers selber besitzt. Auf Blatt 19
findet sich die’ Bleistiftskizze eines ähnlich sitzenden Mauren mit Turban, doch ist der
Kopf nach links gedreht, das rechte Bein senkrecht gestellt, die Figur nach links im Licht.
Eine direkte Zeichnung zur Figur des Bildes muß nicht bestehen, in Marokko sitzen zur
Zeit von Delacroix wohl alle Männer so, und Delacroix hat, wenn nicht eine enger an-
schließende Notiz in Bleistift oder Aquarell doch noch vorhanden, oder verloren ist, im
Bild nur ein Motiv, nicht ein Modell bearbeitet; so auch für die Landschaft, mit dem um-
rahmenden Schatten ganz vorn, an den knapp über der Signatur eine Goldfrucht heran-
rollt, mit den dunkleren Massen von Baum und Brunnen, gegenüber der hellen Terrasse,
auf der zwei Menschen gegen Berge und Himmel hin in die Weite träumen. Das Bild, so
klein es ist, ist eine Komposition.
Tafel V Claude Monet, 1840—1926,
Mann mit Sonnenschirm.
Oel auf Leinwand, 61X99 cm, bez.: Claude Monet.
Der Mann steht in hell grauem Kleid vor dem rötlich braungrauen Weg und dem seit-
wärts matt — oben heller — grünen Laubwerk, der Schirm ist blauschwarz, der Hund
schwarz und grauweiß, die Sonnenflecken gelblich weiß.
Das Bild ist 1867, ein Jahr nach dem großen Frauenbildnis «Camille» der Bremer
Kunsthalle und «Saint-Germain-L’Auxerrois» der Berliner Nationalgalerie gemalt worden.
Wie in der «Dorfstraße» der Mannheimer Kunsthalle von 1867 legen breite Massen von eher
stumpfen Tönen sich ruhig neben einander. Es ist Ausgangspunkt, nicht schon Zeugnis, für
die Entwicklung, die die folgenden Jahrzehnte bringen, mit dem Glanz und der Offenheit
der Seine-Landschaften von Argenteuil und Vetheuil, den flimmernden Lichtspielen der
Felsenküsten von Dieppe, Etretat und Belle-Isle, und der Kathedralen, dem Märchen-
Schimmer der Londoner Brücken, bis zu den venezianischen Spiegelungen und den uner-
schöpflichen Variationen über den Seerosenteich im Garten von Giverny.
Der überschlanke elegante Spaziergänger ist ein Freund des Malers, der Schriftsteller
Jaquemart, das Bild wie eine Huldigung an ihn.
Tafel VI Henri Rousseau, 1844—1910,
In Erwartung.
Oel auf Leinwand, 60,5X70 cm, bez.: H. Rousseau.
Die Frau steht in dunkel rostrotem Kleid auf dem hell bräunlichgrauen Weg zwischen
zwei dunkelgrauen Stämmen, inmitten einer Gras- und Baumlandschaft in Abstufungen
von zartem bis kräftigem Maigrün, dem in den Baumkuppen sich helles rosa und rosabraun
beimischen. Der Himmel verdichtet sich von unten nach oben aus hellem gelb und rosa zu
lichtem blau.
Die Gestalt des Henri Rousseau, der im rauschenden Paris wie in der Stille einer Klein-
‚tadt und in der Unschuld eines Kleinbürgers, doch vor sich selber als großer Künstler
lebte, der er nach seinem Tode denn auch für die andern geworden ist, hat ihren ersten
Lichtstrahl 1914 mit einer Schrift von Wilhelm Uhde erhalten. Er ist der Sonntagsmaler