die magische Ausstrahlung, die dem Bild trotz seiner motivisch problem-
losen Deutbarkeit eignet.
In engem Zusammenhang mit unserem Fensterbild ist das Ganzfiguren-
porträt der Tochter des Künstlers, Ida Chagall, entstanden, zu dem sich
eine Skizze erhalten hat!. Das Mädchen sitzt im Ausschnitt desselben
Fensters, neben sich einen Blumenstrauß; das alles überstrahlende Licht
wirkt in diesem Bild beinahe kreidig weiß.
Das Motiv des Fensters darf als eines der häufigsten im Werk Chagalls
angesprochen werden. In seiner breitangelegten Monographie über den
Künstler verzeichnet Franz Meyer über 50 Werke, in denen das Fenster-
motiv eine Rolle spielt und das der Autor folgendermaßen deutet: «Das
Fenster bildet die Grenze zwischen Innen und Außen, die Öffnung in der
Mauer, durch die der Blick in die Weite geht, die man aber auch abzu-
schließen vermag, um sich dem Innern zuzuwenden, Nicht allein prak-
tische Gründe ließen Chagall, der nicht gern „draußen‘‘ arbeitete, das
Fensterbild vorziehen; es entspricht auch der besonderen Situation des
Künstlers, der dem „Außen‘“‘ nie die Zügel überläßt, sondern der „Innen
und Außen‘‘ gleichnishaft aufeinander bezieht?. »
In Figurenkompositionen, wie etwa im «Selbstbildnis mit den sieben Fin-
gern »3, trägt es wesentlich zur Aussage des Bildganzen bei; hier deutet es
das Verspanntsein des Künstlers zwischen Paris — im Ausschnitt erscheint
der Fiffelturm — und der russischen Heimat an. In «Interieur IL» glotzt,
shnlich wie in der Studie «Der Trinker»*, beide Werke sind 1911 ent-
standen, ein gehörntes Tier durch das Fenster ins Zimmer hinein — Sinn-
bild der unkontrollierbaren Mächte der Außenwelt. Immer wieder malt
Chagall seine Familienangehörigen am Fenster; wenn auch bei diesen
Bildern das Fenstermotiv wohl eher aus formal kompositorischen Gründen
erscheint, so kann doch zuweilen im sinnenden Blicken zum Fenster hin-
aus, in «Lisa am Fenster» 1914, oder «Fenster ın Zaolcha» 5, 1915, das
die Profile von Chagall und seiner Frau Bella vereinigt, die Sehnsucht