.cheint. Es fällt auf, daß Redon auch seine Porträts fast immer im Profil
wiedergibt. Diese Ansicht ermöglicht ihm, auch die nach der Realität
dargestellten Menschen dem Alltäglichen zu entrücken. Beatrice, die
himmlisch verklärte Geliebte Dantes, bleibt rätselhaft, sie läßt sich nicht
fassen. Gerade darin liegt die Faszinationskraft der Schönheit, daß sie sich
einer. Entschlüsselung entzieht, daß sich ihr Wesen nicht ergründen läßt.
Mit dieser Auffassung der Schönheit kommt Redon dem von ihm verehr-
ten Baudelaire nahe. Die Wirkung der Gestalt wird durch die Kombina-
tion mit den Blumen gesteigert. Blumen sind für Redon «&tres fragiles
de parfum, prodiges adorables de la lumiere1® ». Durch ihre Leuchtkraft
und ihre zunehmende Abstraktion verzaubern sie und lassen die Darstel-
lung noch stärker als Bild reiner Imagination hervortreten. Redon bezeich-
nete seine Kunst selbst als «art suggestif». «Mes dessins inspirent et ne
se definissent pas. Ils ne determinent rien. Ils nous placent, ainsi que la
musique, dans le monde ambigu de V’indeterminel, »
Für das Pastell des Kunsthauses wurde bisweilen der Titel «Vitrail» ver-
wendet. Das führte zu der irrigen Annahme, es handle sich hier um einen
Glasfensterentwurf. Es gibt von Redon mehrere Bilder mit dem Titel
«Vitrail». Diese stellen jeweils ein Kirchenfenster in seiner farbigen
Leuchtkraft dar, das meist von dem dunklen Innenraum einer Kirche
aus gesehen wird. Auch in anderen Bildern sind manchmal Gestalten in
einem Kircheninnern vor einem Glasfenster wiedergegeben??, Bei unse-
vem Bild nun ist das Kirchenfenster so nah herangezogen, daß der Spitz-
bogen gleichzeitig den Rahmen des Pastells bildet. Die Darstellung be-
kommt dadurch einen doppelten Sinn. Einmal läßt sie sich als Bemalung
eines Glasfensters verstehen, wofür das «Lichtprofil» und die Leucht-
kraft der Farben sprechen. Zum andern wird der Spitzbogen in Verbin-
dung mit der Brüstung zu einer Fensteröffnung, durch die der Betrachter
auf ein Geschehen jenseits des Rahmens schaut. Das Motiv des Fenster-
ausblicks hat Redon häufig verwendet, um eine Distanz zu dem dargestell-