Restaurierung
Jede Restaurierung eines Kunstwerkes hat eine Ver-
änderung seiner Materie und seines ästhetischen
Zustandes zur Folge. So wird beispielsweise die
Materie gepresst, wenn man ein Bild doublieren
muss (eine neue Leinwand auf die alte fixieren, weil
diese spröde wurde und Risse aufweist), oder neue
Materie hinzugefügt, wenn ein Bild oder eine Skulp-
tur imprägniert, gesichert und gefirnisst wird. Ästhe-
tische Veränderungen werden besonders nach einer
Reinigung, nach dem Retuschieren der Fehlstellen
und dem Firnissen der Malschicht offensichtlich.
Die Art, wie der ästhetische Zustand verändert
wird, hängt im wesentlichen davon ab, wie der Re-
staurator die originalen ästhetischen Werte des
Werkes zu verstehen glaubt. Restaurieren bedeutet
daher auch /nterpretieren eines Kunstwerkes, wobei
die Interpretation direkt auf dem Werk vorgenom-
men wird, während die Interpretation eines Kunst
historikers der originalen Materie nichts anhaben
kann.
In vielen Fällen führt der Eingriff eines Restaurators
zu einer Verbesserung des Zustandes des Werkes.
Genauso kann es sich aber verheerend auswirken,
wenn völlig unbedacht technologische Möglichkei-
ten radikal durchgespielt werden. In den letzten
Jahrzehnten, als immer mehr Museen der Welt
Restaurierungsateliers einrichteten, im Glauben, den
staubigen Sammelobjekten die Atelierfrische ihres
Entstehungszustandes zurückgeben zu können,
wurden in vieler Hinsicht grosse Schäden angerich-
tet. Bilder wurden verpresst, verputzt, matte Ober-
flächen glänzend gefirnisst, Skulpturen neu bemalt
USW.
Dieser gefährlichen Tatsachen bewusst, erachten
wir unsere Hauptaufgabe im Kunsthaus in erster
Linie im Konservieren der Kunstwerke, denn am
wertvollsten und schönsten sind sie, wenn sie nicht
restauriert und dennoch in gutem Zustand erhalten
sind. Wir wollen versuchen, den /rreversiblen Alte-
rungsprozess, dem unweigerlich jedes Kunstwerk
ausgesetzt ist, zu verzögern, indem wir uns um alle
schädlichen Faktoren kümmern, die auf das Kunst-
werk einwirken. Dazu gehört die Kontrolle der Licht
und Klimabedingungen der Räume und das Aufhal
ten frühzeitig bemerkter Zerfallserscheinungen. Als
prophylaktische Pflege müssen wir leider manchma
Bilder, Collagen oder Reliefs mit hässlich verfrem-
dendem Plexiglas abdecken lassen. Dies gilt beson
ders für Malereien mit matt vibrierender Farbober-
fläche (z.B. bei Klee), eine Oberfläche, die bei einer
Schaden nie wiederhergestellt werden könnte, ode‘
für Bilder mit monochromen Farbflächen, wie jene
der Konstruktivisten beispielsweise.
Moderne Kunstwerke sind meist ganz besonders
anfällig auf Schäden, wenn sie aus billigen Fabrik-
produkten oder mit den varliertesten Materialien
hergestellt sind. Es kann dann für uns zu einem
absurden Kampf um deren Erhaltung führen, zuma
solche Werke auf einen schnellen Verfall hin
absichtlich angelegt sein können (Schimmelbilder
von Dieter Rot). Vorsorgliche Massnahmen sind be:
modernen Bildern auch deshalb besonders ange-
bracht, da die Restaurierungsprobleme mangels
technischer Methoden und wegen ungelöster
restaurierungsideologischer Fragen noch viel
komplexer sein können als die Probleme auf älterer
Xunstwerken.
Die rege Ausste/llungspolitik auf nationaler und in
ternationaler Ebene bedeutet für die Kunstwerke,
dass sie in weit höherem Masse Gefahren ausge-
setzt sind, als wenn sie im Museum einen ruhigen
Standort gefunden haben. Der deutsche Restaura-
torenverband hat sich öffentlich laut gemacht und
gefordert, den Schwung des Ausstellungskarussells
zu verlangsamen zugunsten von jeweils fundierteren
Ausstellunaskonzeptionen. Dabei sollten in Zukunft
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