Volltext: Jahresbericht 1987 (1987)

wandtschaften auf, die, unabhängig von ihrer eher 
ironischen bzw. affirmativen Haltung, zur gemeinsamen 
Titelgebung mit Gral geführt haben. 
Andreas Dobler ordnet im Bildgeviert, über einem 
diagonal gevierteilten Hintergrund zentralsymmetrisch 
vier kreuzförmig ausgebrochene Cazller-Schokoladenriegel 
an, über die er Wattestäbchen so legt, dass die gegen die 
Bildmitte hin gerichteten Schenkel der Andreas-Kreuz- 
formen sich in einem vielteiligen Polygon touchieren. Die 
Symmetrie wird mehrmals gebrochen durch die leichte 
Schrägansicht der Schokoladenriegel, die jeweils differen- 
zierte Lage der Wattestäbchen, die im Uhrzeigersinn aus 
den Bildecken verrückten Bilddiagonalen sowie die 
verschiedene Farbgebung der daraus resultierenden Rhom- 
boide. Die Bildkomposition arbeitet scheinbar mit veri- 
stischen Mitteln, in der detailgetreuen, die Plastizität der 
Gegenstände herausstreichenden Genauigkeit des Fotorea- 
lismus, wobei jedoch die Farbgebung der Gegenstände — 
Schokoladenriegel, Wattestäbchen- und deren Anordnung 
im und «auf» dem Bildgefüge ihre reale Wiedergabe relati- 
viert. Was kompositorisch daraus resultiert, ist einerseits die 
plakative, heraldische Wirkung des Gesamtbildes, das man 
gleichsam als Wappenscheibe der Konsumgesellschaft 
lesen könnte, und andererseits ein Tiefensog gegen die Bild- 
mitte hin, der durch die Kreisbewegung der verrückten 
Bilddiagonalen noch verstärkt wird. 
Rut Himmelsbach arbeitet mit symmetrischen Bezie- 
hungen, die sie stellenweise betont, indem sie sie anderswo 
bewusst aufbricht. Ihre Mittel sind jedoch nicht die der 
«veristischen» Malerei, sondern der Kombination aus foto- 
grafischen Elementen (auf Keilrahmen gespanntes Foto- 
leinen) und «reinen», nur in einer Farbe bzw. deren Hell- 
Dunkel-Abstufung gehaltenen Leinwänden. Die eigent- 
liche Werkmitte wird von einer tief marineblauen Rhom- 
boidfläche eingenommen, die sich zur «Bildmitte» hin 
zunehmend aufhellt und damit sowohl ein Glanzlicht wie 
auch eine Tiefenwirkung evozieren kann. Die beidseitig 
an diese Fläche anschliessenden Fotoleinwände zeigen in 
einer Nahansicht, einem «close-up», das den Umraum 
undefiniert belässt, zum einen ein italienisches Brot, zum 
anderen fünf zu einer Wegfläche gefügte Steinplatten, 
wobei die aus den Zwischenräumen wachsenden Gras- 
narben ein rosettenartiges Muster beschreiben. Diesem 
antwortet auf der rechten Seite die Rosettenform des einge- 
kerbten Brotlaibes. 
Gebrochen wird die Symmetrie der Flächen lediglich durch 
zwei asymmetrisch an die Fotoleinwände angefügte, tief- 
blaue Leinwandrhomboide, die die gesamte Komposition 
virtuell in eine Kreisbewegung führen, ohne aber deren 
labile Balance zu stören. Damit erreicht Rut Himmelsbach 
eine weitgehend offene, doch immer korrelierende Lese- 
weise beim Betrachter: «Was die Arbeiten... zum Leben 
bringt, sind Beziehungen, Fotografien, gemalte Bildtafeln 
und Objekte stehen zueinander in formaler Abgeschlos- 
senheit und bilden zusammen labile Gleichgewichte 
Begegnungen’ hiess 1986 eine ıhrer Ausstellungen). Von 
den einzelnen Elementen geht eine kostbare Reinheit aus. 
Sie scheinen zu atmen, und es liesse sich zwischen ihnen 
beinahe ein leises Tönen wahrnehmen.»! 
Auch bei Dobler geht es um Beziehungen; hier jedoch in 
der mit hyperplastischen (oder illusionistischen) Mitteln 
erreichten Überlagerung von «kontradiktorischen» Gegen- 
ständen, —- ähnlich der Bildfindung phantastischer 
«Wirklichkeit» im Surrealismus eines Dali der dreissiger 
Jahre —, die ihrerseits ein streng komponiertes Verhältnis 
mit dem Bildgrund eingehen. Dem «Übereinander» in der 
kaleidoskophaften Anordnung der Bildelemente steht das 
«Nebeneinander» der Foto- und Bildtafeln Rut Himmels- 
bachs gegenüber. 
Als «tertium comparationis» sei hier ein drittes Werk aus 
der Sammlung des Kunsthauses angeführt, das zwar im 
Titel nicht direkt auf den Gral Bezug nimmt, diesen aber 
mit Bildgegenstand und Inskription deutlicher als die 
beiden hier besprochenen Werke thematisiert: das gross- 
formatige Bild Parsifal, vom deutschen Künstler Anselm 
Kiefer 1973 gemalt.? In der Mitte der zentralperspektivisch 
angelegten Holzbalkenstruktur, die den Dachboden-Ate- 
lierraum Kiefers zum Theaterraum uminterpretiert, zeigt 
der Künstler in einer Art «Zustandsstilleben» eine mit roter 
Farbe gefüllte Emailwaschschüssel, dramatisch isoliert und 
«literarisch» überhöht. In konzentrisch geführten Halb-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.