Cafe Odeon 1966 aus, warum der Einzelkämpfer Werner
Müller mit seinem Cafe Dadaon vor dem Kunsthaus kein
«Spinner» ist. Andere Neo-Dadaisten von Tinguely bis
zum Mail-Artisten Hans-Ruedi Fricker versammelte eine
zufällig-beiläufige Accrochage im hintern Ausstellungs-
segment - Spuren und Zeugnisse, dass Dada selbst in sei-
ner zwinglianischen Geburtsstadt immer wieder Jünger
fand und eine lebendige Bewegung bleibt.
Im seriösen mittleren Teil war die Kunsthaus-Samm-
jung nach Städten und Ländern in einer spielerisch heite-
ren, wissenschaftlich aber durchaus fundierten Art aus-
gelegt. In der Mittelachse vereinigte ein Boulevard von
Vitrinen rund 300 Zeitschriften und Dokumente, worun-
ter neu und rar eine Abteilung «Dada Ost». Von diesem
Zentrum aus ergaben sich literarische Quer- und visuelle
Übereck-Verbindungen zu Collagen, Montagen, Filmaus-
schnitten, Objekten und selbst Bildern, was alles den
immerfrischen, überbordenden Assoziations- und Erfin-
dungsreichtum von «Dada» offenbarte. Angereichert mit
Leihgaben aus Zürcher Privatbesitz, darunter das ausser-
ordentliche «Huth-Bild» von Kurt Schwitters, mit einem
Futurismus-Kabinett aus eigenen Beständen und Doku-
menten aus der Berlinischen Galerie zu «Dadaco» und
«Dadaglobe», dem nie erschienenen Weltatlas, bestätigte
«Dada Global» die vor dem Kunsthaus-Eingang im Wind
Yatternde Maxime von Walter Mehring, wonach «die
Welt nur eine Filiale des Dadaismus» sei. Der blaue
Ballon am Eingang der Ausstellung, der für Fr. 28.- bis zur
Finissage durchhielt, und die 491 Ballone der Vernissage
trugen diesen Traum bis nach Sibirien zu dem Städtchen
namens Dada an den Ufern des Amur. GM
Degas — die Portraits
Der Anreiz, die Portraits von Edgar Degas zu einer Aus-
stellung zu vereinigen, ist in der Tatsache begründet, dass
dieser Schaffenszweig des Künstlers noch nie in einem
Überblick dargestellt worden ist. Dies hängt mit der
Rezeptionsgeschichte zusammen: bereits zu Lebzeiten
hatte Degas grössten Erfolg mit seinen Ballett-Szenen und
den Bildern von Rennplätzen, die die Vorstellung von die-
sem Künstler bei einem grossen Publikum bis heute prä-
gen. Dabei mass der Künstler selbst seinem Portrait-
Schaffen grösste Bedeutung zu; in seiner früheren Schaf-
“ensphase dominieren nicht nur zahlenmässig die Por-
raits, seine künstlerische Entwicklung lässt sich anhand
dieser Bilder besonders gut verfolgen. Aber auch in den
späteren Jahren hat er immer wieder portraitiert. Da er
indessen keine Auftragswerke geschaffen hat, besass das
Portrait-Schaffen ausgesprochen privaten Charakter. Als
nach Degas’ Tod in seinem Atelier eine grosse Zahl von
Bildnissen der Öffentlichkeit zugänglich wurde, war sein
Ruf als Maler der Tutus längst gefestigt - die Portraits blie-
ven immer im Schatten der andern Bildthemen.
Dadurch, dass es möglich war, rund 180 Portraits aus
allen Schaffenszeiten und in allen Techniken, in denen
sich der Künstler ausgedrückt hat, zu vereinen, wurde die
Ausstellung zu einer Demonstration, die selbst die Degas-
Spezialisten, allen voran Jean Sutherland Boggs, die vor
[ahren ein Buch über die Portraits geschrieben und den
Hauptbeitrag in unserem Katalog verfasst hat, überrasch-
:e, Aber auch bei einem breiten Publikum fand die Aus-
stellung grossen Anklang, wobei es als besonders positiv
empfunden wurde, dass vorbereitende Zeichnungen in
unmittelbarer Nähe zu den dazugehörenden Gemälden
studiert werden konnten. Dies war möglich dank eines
Wechsels von dunkelblau gestrichenen, lichtabsorbieren-
den Nischen für die Werke auf Papier und hellen Wänden
für die weniger lichtempfindlichen Gemälde. FB
AUSSTELLUNGEN IM GRAPHISCHEN KABINETT
Die Welt als Labyrinth
Tragische und komische Motive der Weltliteratur in Zeichnung
und Druckeraphik des 18.-20. Jahrhunderts
«Jeder Mensch ist ein eigenes Drama...» (F. Dürrenmatt).
Der Schauplatz der Weltgeschichte hat sich nach innen,
in die triebgesteuerte Innerlichkeit der Individuen verla-
gert. Ausgelöst wurde dieser Prozess durch die Auf-