sind die Bilder von Andy Warhol, die sich am intensiv-
sten mit «Malerei» auseinandersetzen. Zwei der Werke
blieben als längerfristige Leihgaben nach Abschluss der
Ausstellung in unseren Sammlungsräumen. BC
Arnold Böcklin, Giorgio de Chirico, Max Ernst —
Eine Reise ins Ungewisse
Trotz aktenkundigen Verbindungen bedeutete selbst für
Kunstkenner der gleichzeitige Auftritt der drei Maler-
Poeten ein Wagnis. Für jene, welche die Ausstellung
mehrmals besuchten (nicht wenige) und auch ım
Katalog schmöckerten, hat sich die «Reise» zweifellos
gelohnt. Ein neuer Weg zum Surrealismus wurde mit
Bildern deutlich, vom symbolistischen Böcklin über
den metaphysischen De Chirico zum Surrealisten
Max Ernst, ein eminent deutsch-italienischer Pfad nach
Paris. Selbst das mit Spannung erwartete erste Geheim-
treffen von Böcklin und Max Ernst zeitigte ergiebige
Korrespondenzen, etwa in ihrer Bewältigung von Kriegs-
angst und Tod oder der Ambivalenz des Waldes als Ort
der Bedrohung und des Heils.
Offenbar aber blieb die Reise für einen exklusiven
Kreis von Kennern, von kreativen Menschen wie Schrift-
stellern, Psychologen oder Naturforschern, Tagträumern
und Spätromantikern, Neodadaisten und ewigen Kın-
dern reserviert. Das grosse Publikum blieb aus, das
«schwindelerregende Trio» (Michel Butor) verführte zu
keiner Massenhysterie oder den gewünschten Ohn-
machtsfällen. Die Schau sei zu anspruchsvoll, kursierte —
in Zeiten geistigen Schnellfutters - bald das Vorurteil.
So reagierten die Verantwortlichen zwar schnell
und intensiv mit Führungen und Veranstaltungen, u.a.
mit Michel Butor und Cees Nooteboom, aber selbst
diese Weltautoren vermochten den Bann der «Wissen-
den» nicht zu brechen. Erst in den mehrstündigen
Führungen zu Schluss der Ausstellung, die zu eigent-
lichen Happenings auswuchsen, wurde jene ideale
Rezeptionsform gefunden, die ein totales Eintauchen in
den Zeit-, Gefühls- und Bilderstrom erlaubte. Erst so
wurde die Quelle des Unbewussten und der irisierende,
morbide wie erotisierende Inhalt des ausgeschütteten
Füllhorns sinnlich und in luziden Denk- und Spielform
erfahrbar. Die Bilder verwandelten sich in jenen leben-
digen Stoff, der das eigene Unbewusste anımierte und
den seligen Zustand der Unwissenheit zum Erlebnis
machte. Die faszinierenden Durchblicke der Ausstel-
lungsarchitektur erweiterten das innere Reich der schwe-
benden Bild-Assoziationen, von den ınspirierten
Katalogautoren angekurbelt. Wie hoch unser Fessel-
ballon der Phantasie 1998 im Haus der Kunst in Mün-
chen und in der Nationalgalerie Berlin fliegt, ist zur Zeit
höchst ungewiss. GM
AUSSTELLUNGEN IM GRAPHISCHEN KABINETI
Das Jahresprogramm im Graphischen Kabinett bestand
aus zwei unbeabsichtigten, sich überlappenden Tri-
logien. Zunächst wurden drei jüngere englische Künst-
lerinnen und Künstler vorgestellt: Gillian Wearing,
Callum Innes und Simon Patterson. Letzterer eröffnete
zugleich die dreiteilige Serie mit Wandzeichnungen, die
sich mit Maria Eichhorn und Gary Simmons fortsetzte.
Gillian Wearing
Die 1963 in Birmingham geborene und heute in London
arbeitende Gillian Wearing ist eine der bedeutendsten
englischen Videokünstlerinnen der neunziger Jahre. Die
Sprache ihrer Videowerke ist im Bereich zwischen Doku-
mentarfilm und reality show anzusiedeln. Mit Voyeuris-
mus hat diese Arbeit nichts zu tun. Das bewusste Wahr-
nehmen von Privatem und Intimem stellt vor allem uns
selber in Frage, erzeugt Unbehagen - Obszönität — vor
uns selbst. Gillian Wearing verlangt vom Betrachter ihrer
Videos ein Risiko ab: Das Risiko, sich in seiner mensch-
lichen Mediokrität zu erkennen. Die Künstlerin stellte
im Graphischen Kabinett vier Arbeiten aus: drei Video-
installationen und ein Band, das das Kunsthaus 1996
erworben hat. Eine räumlich, zeitlich (Gesamtdauer:
10 Tage) und atmosphärisch sehr konzentrierte Aus-
stellung. Gillian Wearing gewann im Dezember 1997
den begehrten Turner Prize und stellte in der Londoner
Tate Gallery aus.