Draperie, sentimentgeladenes, lieblich geneigtes Haupt,
perfekte Körperschönheit von harmonisierter Lang-
weile. Dagegen Maillols «L’Action enchainee» von 1906 -
da sind wir Burckhardts «Venus» näher: ein fülliger
Frauenleib, Dynamik und Statik verbindend, von den
Oberschenkeln über Bauch, Brust und Schultern ın
Formelemente skandiert, die übereinstimmen und zu-
sammenklingen.
Die fatale Vermischung von Motiv und Thema hat die
Beurteilung von Burckhardts Werk bis heute vielfach
gesteuert und dessen Bedeutung durch den rasch hın-
gepfefferten Begriff «Neoklassizismus» herabgemindert.
Es wird immer schwierig bleiben, mit klarem Kopf die
Qualitäten von «Thema» und «Motiv», von Bildgehalt
und Formulierung auseinanderzuhalten und ihre mög-
liche Verschmelzung tief zu bewundern. «Schönheit» ist
kein labiler, zeitgebundener Begriff - Schönheit entsteht
durch die gelungene Übereinstimmung von Gehalt und
gereinigter Formensprache. Die «Venus» von Carl Burck-
hardt ist auf dem Feld der Schweizer Bildhauerkunst des
20.Jahrhunderts der erste, grossartige Versuch in dieser
Richtung.
Dorothea Christ
Literatur: Carl Burckhardt. 1878-1923 (Ausstellungskatalog Kunsthalle
Basel 1978); Carl Burckhardt: Zeus und Eros. Briefe und Aufzeichnun-
gen des Bildhauers Carl Burckhardt (ed. Titus Burckhardt, Olten 1956);
zum Verhältnis Jacob Burckhardt - Böcklin: Nikolaus Meier: Stiften und
Sammeln für die Öffentliche Kunstsammlung Basel. Emilie Linder,
Jacob Burckhardt und das Kunstleben der Stadt Basel (Basel 19971