Volltext: Jahresbericht 2006 (2006)

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eingegr enzte n Thema e rarbeitet hat. Etlic he grosse 
Figur en, darunter zwei «Femme de Venise», drei 
«Grande fe mme» und der «Homme qui mar che I» von 
1960 mussten für den Guss zerlegt werden; im 
Rahm en des nun in Angriff zu nehmende n Restaurie- 
rungsprojektes wird es sich zeigen, ob sie sich wieder 
zusa mmens etzen und aufrichten lassen. Es könnte ein 
Ziel sein, in der Zeit nach der ans te henden Erweite - 
rung des Kuns thaus es im Anbau von 1976 in wesentlich 
grösseren und höheren räumlichen Verhältnissen 
diese imposante Figur engrupp e in einer festen Instal- 
lation zu präsentieren. Inzwischen aber steht nun die 
bronzene «Grande femme II», die eindr ücklichst e die- 
ser «grossen Frauen», still rage nd in der Mitte der 
Eingangshalle und kündet dem Besucher die Schätze 
des Hause s an. 
Christian Klemm 
«Cube» , den Giaco metti auch «Pavillon nocturne» 
nannt e: neben dem dunklen Bronzepolyeder, der an 
Findlinge in Gebirgswäldern oder einen grossen Kopf 
erinnert, erscheint nun als heller, quasi immaterieller 
Gegenpol die Fassung in Gips und veranschaulicht die 
Ambivalenz des räumlich-p l as tischen, anspielungs- 
r eichen Formgedankens. 
Ebenso wie die frühen Jahre fe hlte in der Samm- 
lung Thomps on die Zwischenzeit von 1935 bis 1946, als 
Giacometti zur Figuration zurückkehrte und sich durch 
«V erl ernen» einen Weg zu seiner V orstellung eines 
«phänomenologischen Realismus» ertastete. Die 
Schwelle markiert der e rs taunliche «Grosse Kopf» 
(Abb. 18), dessen P hysiognomie sich lächelnd durch 
die geometrisch abstrakten Formen enthüllt. Durch 
die riesige, dem Scheitel e ntspr ingende Nase den 
W aggis-Masken der Basl er F as nacht verwandt, bildet 
er ein heiteres Gegenstück zu dem kurz zuvor entstan- 
denen gri mmigen «Tête crane ». Vier Köpfe nach Die- 
go, Is abel und Rita zeigen den kritischen Auflös ungs- 
prozess der herkömmlichen Stilisierungen der 
Gesichtsfo r me n; sie lassen das Katastrophische des 
Vergangs erahnen, der zu den winzigen Figürchen und 
Köpfchen der Kriegszeit führte. Auch von dies en 
kommt nun eine kleine Gr uppe in Gips und Bronze in 
die Sa mmlung. Ein weiteres Ensemble vergegenwär- 
tigt die zarten Anfänge des reifen Stils in fragil en 
bema lten Gipsen (Abb. 19) und körperlosen Figurinen. 
Der grösste Gewinn bilden die za hlr eichen Gipss- 
kulpturen der reifen und spä ten Zeit und Hauptwerke 
der letzten Jahre in Bronze, durch deren Schenkung 
Bruno Giaco metti die alte Absicht se ines Bruders ver- 
wirklicht hat. Welch bannende Ausstrahlung diese in 
Gips dem schöpferischen Entstehungsprozess noch 
nähere Büsten ausüben, konnte in der k o nzentrierten 
Erstpräs entation im letzten Somm er beso nders inten- 
siv erlebt werden. Hier kam Alberto wohl s einem 
«unmöglichen» Ziel, die Präsenz des l ebendigen 
Gegenübers magisch zu evozieren, am nächs ten (Abb. 
20). Eine Gr uppe von kleinen bis mittleren «Femme 
debout» mes sen das Spektrum der ges tal terischen 
Möglichkeiten aus, das sich Giacometti in diesem strikt strikt
	        
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