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eingegr enzte n Thema e rarbeitet hat. Etlic he grosse
Figur en, darunter zwei «Femme de Venise», drei
«Grande fe mme» und der «Homme qui mar che I» von
1960 mussten für den Guss zerlegt werden; im
Rahm en des nun in Angriff zu nehmende n Restaurie-
rungsprojektes wird es sich zeigen, ob sie sich wieder
zusa mmens etzen und aufrichten lassen. Es könnte ein
Ziel sein, in der Zeit nach der ans te henden Erweite -
rung des Kuns thaus es im Anbau von 1976 in wesentlich
grösseren und höheren räumlichen Verhältnissen
diese imposante Figur engrupp e in einer festen Instal-
lation zu präsentieren. Inzwischen aber steht nun die
bronzene «Grande femme II», die eindr ücklichst e die-
ser «grossen Frauen», still rage nd in der Mitte der
Eingangshalle und kündet dem Besucher die Schätze
des Hause s an.
Christian Klemm
«Cube» , den Giaco metti auch «Pavillon nocturne»
nannt e: neben dem dunklen Bronzepolyeder, der an
Findlinge in Gebirgswäldern oder einen grossen Kopf
erinnert, erscheint nun als heller, quasi immaterieller
Gegenpol die Fassung in Gips und veranschaulicht die
Ambivalenz des räumlich-p l as tischen, anspielungs-
r eichen Formgedankens.
Ebenso wie die frühen Jahre fe hlte in der Samm-
lung Thomps on die Zwischenzeit von 1935 bis 1946, als
Giacometti zur Figuration zurückkehrte und sich durch
«V erl ernen» einen Weg zu seiner V orstellung eines
«phänomenologischen Realismus» ertastete. Die
Schwelle markiert der e rs taunliche «Grosse Kopf»
(Abb. 18), dessen P hysiognomie sich lächelnd durch
die geometrisch abstrakten Formen enthüllt. Durch
die riesige, dem Scheitel e ntspr ingende Nase den
W aggis-Masken der Basl er F as nacht verwandt, bildet
er ein heiteres Gegenstück zu dem kurz zuvor entstan-
denen gri mmigen «Tête crane ». Vier Köpfe nach Die-
go, Is abel und Rita zeigen den kritischen Auflös ungs-
prozess der herkömmlichen Stilisierungen der
Gesichtsfo r me n; sie lassen das Katastrophische des
Vergangs erahnen, der zu den winzigen Figürchen und
Köpfchen der Kriegszeit führte. Auch von dies en
kommt nun eine kleine Gr uppe in Gips und Bronze in
die Sa mmlung. Ein weiteres Ensemble vergegenwär-
tigt die zarten Anfänge des reifen Stils in fragil en
bema lten Gipsen (Abb. 19) und körperlosen Figurinen.
Der grösste Gewinn bilden die za hlr eichen Gipss-
kulpturen der reifen und spä ten Zeit und Hauptwerke
der letzten Jahre in Bronze, durch deren Schenkung
Bruno Giaco metti die alte Absicht se ines Bruders ver-
wirklicht hat. Welch bannende Ausstrahlung diese in
Gips dem schöpferischen Entstehungsprozess noch
nähere Büsten ausüben, konnte in der k o nzentrierten
Erstpräs entation im letzten Somm er beso nders inten-
siv erlebt werden. Hier kam Alberto wohl s einem
«unmöglichen» Ziel, die Präsenz des l ebendigen
Gegenübers magisch zu evozieren, am nächs ten (Abb.
20). Eine Gr uppe von kleinen bis mittleren «Femme
debout» mes sen das Spektrum der ges tal terischen
Möglichkeiten aus, das sich Giacometti in diesem strikt strikt