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selbe Major, den wir am Samstag Abend im Gemeinen-Mantel
als Zeugen der Lynchszene sahen, und ein Stab von allerlei
Offizieren (auch Marine und in Zivil). Umgeben waren wir von
vielleicht 200 scharf bewaffneten Regierungssoldaten, außerdem
standen Maschinengewehre und Flammenwerfer (?) vor und
hinter uns, so daß wir uns gänzlich der Gewalt der Regierungs
truppen preisgegeben wußten. Lie folgenden Stunden be
deuteten für uns eine Provozierung schlimmster Art, welche
wir jedoch nicht erwiderten, weil wir wußten, daß wir un
barmherzig zusammengeschossen worden wären.
Am Morgen war die inzwischen als Lügennachricht ent
hüllte Meldung von der Ermordung der 60 Polizeibeamten in
Lichtenberg eingetroffen, und als nun noch ein Trupp Ge
fangener eingeliefert wurde, der gleich mit uns weitergehen
sollte, hieß es (seitens der Offiziere) ohne weiteres: „das
sind die Lichtenberger.“ (System?!) Entsprechend war
der Empfang. Im Hause ertönten wieder die bekannten Rufe
des Lynchkommandos, wie wir es nannten, „haut ihn, schlagt
ihn tot, an die Wand!“ etc., und ähnliche wie die bereits ge
schilderten Szenen der Vortage dürften sich daraufhin ab
gespielt haben. Sehen konnten wir natürlich nichts, weil wir
auf dem Hofe standen. Später kam eine Anzahl bürgerlich ge
kleideter Zivilisten in den Hof und wurde zu der Gruppe von
Offizieren geführt, um dort Namen und dergleichen notieren
zu lassen. Stöße mit Fäusten und Gewehrkolben wurden von
der herumlungernden Soldateska reichlich verteilt. Die Of
fiziere, besonders einer in Zivil mit brauner Joppe, schwarzen
Gamaschen und einem Browning, hetzten die Soldaten un
verhohlen mit Wort und Geste gegen uns, vor allem aber
gegen die „Lichtenberger“ auf. Kaum zu meistern war unsere
stumme Wut, als wir mit ansehen mußten, daß ein Regierungs
soldat zwischen die Gruppe der Offiziere trat, unter der sich
auch der Kommandant, der bereits erwähnte Major, befand,
und einem bürgerlich gekleideten Herrn, der gerade Personalien
angeben sollte, mitten ins Gesicht spie, ohne von
einem Offizier irgendwie daran gehindert, oder
dafür gerügt zu werden. Als der Zivilist darauf nicht
sichtbar reagierte, erhielt er eine furchtbare Ohrfeige, wieder
mitten ins Gesicht. Auch darauf reagierte der Zivilist nicht,
worauf er einen sehr heftigen Faustschlag auf die Oberlippe
erhielt, so daß diese sofort sichtlich schwoll. All’ das sahen
die Offiziere widerspruchslos, zum Teil mit sichtbarem Gut
heißen mit an. Angesichts der Pogromstimmung wagten weder
wir noch der Mißhandelte irgendwelchen Einspruch. Als der