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Es geht um ethische Expression. Nichts anderes als das wiedererwachte Schöpfer
gefühl der Menschheit wünschen wir auch da zu sehen, wo Tausende im Zu
schauerraum sitzen.
Der Zuschauer geht ins Theater, um vom Geist, der die Erde formt, geführt
zu werden. Das Theater ein Geisteshaus. Die Schaubühne eine politische An-
staltl Die Bühne und ihr Schauspieler haben uns Antwort zu geben — wie das
Drama, um dessentwillen sie da sind! — auf unsere Lebensfrage: Was sollen
wir tun?
Hier Worte Hasenclevers:
,,Es kann und es wird, es muss eine neue Bühne entstehen, deren geistiges
Ziel aufbauen möge, was allzuviele Materie zerstört.“
„Eine Bühne, die sich aus dem Fond staatlicher, städtischer oder privater
Subventionen sonderte und in der Geschichte des Theaters einen Stil erstrebte,
blieb meist das Vabanque-Spiel von einem oder mehreren Interessierten. Dies
waren bei weitem nicht immer Leute geistigen Schlages, und es folgte die unum-
stössliche Diskrepanz, sobald die Kunst der Darstellung sich mit den übrigen
Künsten zu jenem Dualismus verband, den man schlechthin „Theater“ nannte.
Verschärft wurde dieser Zwiespalt durch das Hinzutreten einer Reihe von
Stoffen, deren widerstrebendster, weil lebendigster, in der Person des Schau
spielers gesehen werden muss.“
„Auf der Bühne ist die rigorose Entfernung aller Idioten durchzusetzen,
und ernsthaft wird die Erwägung, ob nicht der Dichter (als Schöpfer des dra
matischen Vorgangs), der Literat und der Maler, der Philosoph, der Satiriker:
alle Benachbarten im gleichen Reich der Ideen auch die Metamorphose des
Gedankens in das Theater vollbringen könnten, selbst bei zugegebener Unzu
länglichkeit in der Durchführung realistischer Gewalten — und was wäre am
Ende sehenswerter: ein Geist, welcher die Darstellung verführt, oder eine Dar
stellung, welche den Geist vergewaltigt?“
„Man lehne ab, den Begriff des Statisten, nicht einmal als soziale Erwerbs
quelle, länger zu dulden. Die äusserste Beschränkung des Theaters an organi
scher und unorganischer Natur!“
„Wir leugnen, dass die Herbeiführung eines zweiten Zustands, dieser ver
hängnisvolle Irrtum: das Spiel ergänze und rufe die Dichtung ins Dasein, Auf
gabe der neuen Bühne sei. Alle Prinzipien für die Darstellung liegen immanent
in der Dichtung selber. Es wäre nur ein Beweis gegen sie, müsste sie, um
Wirkung zu tun, erst „inszeniert“ werden. Diese Überschätzung eines sekun
dären Aktes der Schöpfung, die sich materialisiert, um durch die eigentümlichen
Formen der menschlichen Wahrnehmung musisch begriffen zu werden, dieser
konstruktive, gar nicht wirkliche Konflikt zwischen Geist und Leben, wobei
stets das Leben unter seinem Jockey das Rennen gewann — die Sünde gegen
den heiligen Geist aller Dichter und Philosophen ist nirgends so verbreitet als in
den Köpfen der heutigen Theaterwelt.“
„Lasst uns der Gewohnheit entsagen, Wald müsse rauschen und Blitz müsse
donnern; was wäre ein Theater, das nicht hiesse: Änderung der vorhandenen
Welt! Lasst uns, oh Freunde, glauben, dass die Morgenröte der Dichter nicht