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kammermörder, der eine Versicherungssumme erlisten wollte; General Booth,
der Begründer der Heilsarmee; und die Urheber der russischen Revolution
werden nebeneinander, mit denselben Begriffen, in derselben Schönschrift
registriert (Das wackelnde Stilleben). Wiegier über die Helferinnen der grossen
Volksumwälzungen:
„Die Umstürzlerinnen im Frankreich der Bourgeoisie hat George Sand, die
Frau von Nohant und Dichterin der „Indiana“ angeführt. Spitz und schrill
flackert ihre Stimme in Louise Michel fort, dieser in die Luft der politischen
Kneipen verschlagenen Sand, die mit ihrer Gevatterin das Ressentiment der un
ehelichen Geburt gemein hat, die versetzte Mütterlichkeit, den geistigen Hoch
mut, die Symptome der seelischen Erkrankung.“
Welch plumpe Demagogie: Das Mittel zieht nämlich heute schon lange
nicht mehr, eine bedeutende und störend ethisch gerichtete Person dadurch
entwerten zu wollen, dass man von ihr behauptet, sie sei nur die umgekehrte
Gartenlaube!
„Erst die russischen Umstürzlerinnen haben das Beispiel der Bettlerin aus
Haute-Marne (d. i. Louise Michel) vollendet. Ihr Revolutionstrieb ist der
Atrophie der Sexualität entsprossen, die jetzt Artzibaschew durch sein papierenes
Traktat kurieren will. Unterernährt sind die Nihilistinnen, die fiktive Heiraten
mit fremden Studenten eingehen, um nach der Schweiz vorzudringen, die in den
Baumwollfabriken von Moskau agitieren oder von den Matrosen in Kronstadt
sich entjungfern lassen, um als Bordellmädchen sie für die Revolution zu
gewinnen. Unterernährt ist die „Nihilistin“ der Kowalewska, sind die Sassu-
litsch, Perowskaja und Larionow Weiche, zapplige Nagetierchen sind
diese Umstürzlerinnen “
Wiegier behauptet also, dass diesen Frauen die Revolution nur Vorwand
zur Erledigung einer sexuellen Angelegenheit war. — Was uns von diesem
Menschen trennt, ist durchaus seine alberne Ungläubigkeit vor der erhabenen
göttlich-geistigen Tatsache, dass jedes wollende Menschenwesen schon
physikalisch die Welt ändert! „Das hat er“, werden seine Freunde sagen, „vor
langem, unter dem Entwertungsnachspiel des Misserfolges der rusisschen Re
volution von 1905 geschrieben. Heute würde er sich wohl hüten.“ Ja, eben
das wird ihm hier vorgeworfen. Man muss schon am Feuilletonerfolg geschult
sein, um die Selbstaufgabe des Menschen, seine höchste Liebestätigkeit durch
Wüsten, Bleibergwerke, Folterkammern, stetes gütigstes Gefahrleiden, nur mit
einem ganz kleinen Hoffnungslicht im Herzen für die Menschheit — um diese
heilige Vermenschlichung der zartesten Ideen Unterdrückter: als verdeckten
Wunsch nach dem Männerbett zu behandeln.
Jeder sieht, dass es hier nicht um sexuelle Moralfragen geht. Es geht um
Anerkennung des Geistigen im Menschen, des Willens im Menschen, des Helfers
im Menschen, des Mitmenschen im Menschen. Die Ablehnung Wieglers ist die
Ablehnung einer Eingeweidephilosophie; der allerdümmsten, willensfernsten,
Sklavenhaft passivsten, der allerblödesten Spezialarzt-Tendenz.
Wieglers Romanphantasie hat sich um das Privatleben der russischen
Revolutionärinnen gekümmert. Uns andere, uns Mitfühlende ging nur ihr