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Umgehung ablehnen. Die Folge davon wird sein, daß
der Schieichhandel immer weiter um sich greift, und daß
den anständigen, fachmännisch gebildeten Kunsthändlern
und Kunstausstellungs» Leitern die Veranstaltung von
Ausstellungen unmöglich gemacht wird.
Wir machen darauf aufmerksam, daß wir wohl die
Interessen unseres Standes vertreten und zwar nicht nur
die ideellen, sondern auch die materiellen, daß aber die
Vertretung der materiellen Interessen hierbei keine sehr
große Rolle spielt. Fast jeder Kunstausstellungs»Leiter
betreibt neben dem Geschäft der Kunstausstellungen auch
noch das Geschäft des privaten Handels, d. h. er kauft
Bilder lebender Künstler, aber auch verstorbener, und ver»
kauft sie, ohne sie auszustellen, an den Sammler. Die
Abschnürung des Ausstellungsgeschäftes würde für uns
alle wohl nichts anderes bedeuten, als eine große Ent»
lastung von Arbeit, Mühe und Kosten. Aber sie würde
uns die Freude an unserem Beruf nehmen, sie würde uns
die Möglichkeit nehmen, für unbekannte Künstler ein»
zutreten.
Nun erlauben wir uns, auch daraufhinzuweisen, welchen
Schädigungen die Künstler durch die neuen Gesetzes»
bestimmungen ausgesetzt sind.
Der berühmte Künstler wird durch das Gesetz nicht
getroffen. Den Weg zu dem Atelier eines berühmten
Künstlers findet das Publikum,- er hat also nur einen
Vorteil durch diese Bestimmung. Wie aber ist die Lage
des jungen unbekannten Künstlers, der in der Einsamkeit
und unter schwierigsten ökonomischen Verhältnissen ar»
beitet? Auf welche Weise findet der Sammler den Weg
in das Atelier eines Unbekannten? Und wenn er ihn findet,
wird der Künstler imstande sein, ohne den Rüdkhalt des
Händlers seine Preise zu halten? Wird nicht der Käufer
unwillkürlich verführt werden zu unterbieten, der Künstler,
jeden Preis anzunehmen ?
Wenn die Kunstausstellungen vernichtet sind — und
sie werden durch diese Gesetzesbestimmung vernichtet —
so ist der junge Künstler, und vor allem der Künstler, der
an einer neuen Kunstentwicklung mitarbeitet, verloren.
Nehmen wir an, es ist ein Mann, dessen Talent ihn zur
Landschaft treibt, nicht ein Modelandschafter, der einige
Wochen auf Sommerreisen geht und den Rest des Jahres
in seinem behaglichen Atelier den Besuch von Käufern
erwartet, sondern ein ernst ringender Maler, Landschafter
oder Beobachter des bäuerlichen Lebens, der Winter und
Sommer auf dem Lande, in einem Dorfe lebt, womöglich
kein Atelier sein eigen nennt, der gar nicht imstande ist,
selbst wenn ihn schon jemand findet, Besuche zu empfangen
und seine Bilder vorteilhaft zu präsentieren, der von den
Preisen nichts weiß und nichts vom Markt. Es bleiben
diesem Künstler nur zwei Wege: er muß sich dunklen
Agenten anvertrauen, die denVerkauf unter hoher Provi»
sion »hinten herum« für ihn vermitteln, oder er muß einen
Raum zur Ausstellung selbst mieten, ein Unternehmen,
das ihn auf Jahre hinaus in Schulden und Verpflichtungen
drückendster Art wirft. *
Die Presse ist in ihrer Wirkung durch die Abschnürung
der Kunstausstellungen vernichtet. Höchstens Lokalgrößen
können gedeihen, es fehlt die Vermittlung zwischen dem
Künstler und dem Publikum.
Eine letzte Gefahr: der Gesetzeszusatz betrifft nur den
deutschen Künstler. Der Kunsthändler wird also geradezu
darauf hingewiesen, in möglichst großem Umfange Aus»
Stellungen ausländischer Künstler zu veranstalten.
Wenn man einwendet, daß trotzalledem die Aus»
Stellungen deutschen zeitgenössischen Künstlern n i ch t
unmöglich gemacht werden, so weisen wir auf folgende
Rechnungen hin, deren Richtigkeit jeder fachmännischen
Nachprüfung standhalten wird, Nehmen wir an, trotz der
Gesetzesbestimmung bleiben die Kunstausstellungen be»
stehen, das Netz dieser Organisation bedeckt wie früher
das Land. Ein berühmter Künstler macht eine Ausstellung
von 20 Bildern. Die Herstellung eines Bildes—wir sprechen
jetzt nur von Leinwand, Farbe und Keilrahmen, nicht vom
Modellgeld, vom Reisen usw. — beträgt ungefähr 250 M.,
der dazu gehörige Rahmen kostet ungefähr 750 M„ so daß
jedes Bild ungefähr 1000 M. Herstellungskosten hat. Malt
ein berühmter Künstler 20 Bilder, so ist er sicher, daß er
den größten Teil dieser Bilder in ganz kurzer Zeit ver»
kauft. Nehmen wir an, er wird, bevor er die Bilder über»
haupt zur Ausstellung schickt, sie schon verkauft haben,
weil der Käufer die 15% vermeiden will. Wenn der
Künstler 20 Bilder verkauft hat, so hat er anHerstellungs»
kosten ungefähr 20000 M. für Leinwand, Farbe und
Rahmen,- dazu kommt die Umsatzsteuer von 1 1 /a°/o, das
sind bei einem Verkaufspreis von 20000 M. pro Bild ins»
gesamt 6000 M. Seine Unkosten betragen also 26000 M.
Sie sind im Verhältnis zum Resultat ganz gleichgültig.
Der unbekannte Künstler, der 20 Bilder malt und zu
dem niemand ins Atelier kommt, zeigt diese Bilder auf
Ausstellungen. Setzen wir als Verkaufspreis für den un»
bekannten Künstler den durchaus nicht zu niedrig ange»
nommenen Preis von 3000 Mk. an. Jedes Bild kostet ihn
genau wie den berühmten Künstler 250Mk. Herstellung.
Das ergibt die Summe von 5000 Mk. 20 Rahmen kosten ihn,
gesetzt den Fall, daß er darauf verzichtet, gute Rahmen, die
den Verkauf erleichtern, zu erwerben, wenigstens 8000 Mk.
Er hat also 13000 Mk. Herstellungskosten. Wenn er
20 Bilder verkauft, so hat er 9000 Mk. Luxussteuer zu
zahlen, so daß die Unkosten jetzt schon 22 000 Mk. betragen.
Dabei ist weder der Transport berechnet, noch ist berechnet,
daß der Leiter der Kunstausstellung eine Provision bean»
Sprüchen muß. In Wirklichkeit aber hat ein junger Künstler
absolut nicht die Chance, in absehbarer Zeit 20 Bilder von
20 gemalten Bildern zu verkaufen. Wenn es ihm gelingt,
im Laufe weniger Monate 10 zu verkaufen, so ist das ein
ganz außergewöhnlicher Erfolg und dabei stellt sich dann
die Rechnung folgendermaßen: Die Kosten für Leinwand,
Farbe usw. für 20 Bilder 5000 Mk., 20 Rahmen 8000 Mk.,
15% Luxussteuer für 10 verkaufte Bilder 4500Mk. Das
gibt eine Ausgabe von zusammen 17500Mk. Dazu kommt
20% Provision für den Verkauf von 10 Bildern ä3000Mk.