Volltext: Gesellschaft, Künstler und Kommunismus

4 
Welt von vornherein anders, komplizierter, problematischer, indivi 
dueller darzustellen als sie sie seit Generationen wahrzunehmen ge 
wohnt sind. Die Schund- und Konjunktur-Schreiber verfügen, ge 
rade weil es ihnen meist auf nichts anderes ankommt als gekauft zu 
werden, über eine erstaunliche psychologische Anpassungs- und 
Einfühlungsfähigkeit und vor allem über die sehr bejahenswerte 
Kraft, ihre Privatperson und ihre subjektiven Weltprobleme aus dem 
Spiel zu lassen. Das ist reinste Fabrikarbeit, vielleicht darum 
gegenwärtig die einzige Kunst für Massen. Dennoch ist 
diese Produktion unproletarisch, ja auch aus 
gesprochen proletarierfeindlich. Sie verklärt die 
Welt des Glanzes und des Reichtums, sie spricht zum Leser als Ein 
zelnen statt als Glied seiner Klasse. Mit all den Schilderungen aus 
dem Leben der Grafen und Millionäre, der Abenteurer, Kokotten, 
durchgebrannten Bürgertöchter, der Verbrecher, Reisenden und Er 
finder, kurz der machtlüsternen, exzentrischen, sozial entwurzelten 
Typen, die leben ohne zu produzieren — und daher Zeit zum 
„interessanten Leben“ haben — mit diesen Schilderungen wird der 
Leser abgelenkt von seiner Welt, werden seine Lebensenergien der 
Wirklichkeit entzogen und an fadenscheinige Illusionen vergeudet. 
Häufig spielt zwar irgendein armer Teufel mit oder ein bildschönes 
Mädchen (natürlich ohne Geld und Wohnung), aber immer und 
ausschließlich als Sologeschöpf gegenüber der begehrten Sphäre 
der Ausbeuter, in der man dann auf irgendeine romantische Art 
Eingang findet, oder aber daran zugrunde geht. Das ist 
dann Tragik — ein unerschöpfliches Thema für sentimentale Dar 
stellungen. Es gibt da natürlich tausend Variationen, allen ge 
meinsam ist jedoch die Tendenz: zu spekulieren auf die Armut der 
Leser an Geld, Zeit und Macht. 
Diese inoffizielle Volkskunst lebt vom Bedürfnis der Arbeiten 
den nach des Lebens Buntheit und Mannigfaltigkeit. Solange dies 
Bedürfnis real unbefriedigt bleibt, wird diese „Schundliteratur“ 
unausrottbar sein, solange wird es auch jene sozial haltlosen 
Schichten geben, die, aus dem Proletariat kommend, von der Arbeit 
der „Dummen“ leben durch kleine Schiebungen, Diebstahl, Spiel, 
Wetten, Spekulationen, Vermittlungen u. s. f. Für diese Schichten 
ebenso wie für die „kleinen Mädchen“, die nach Ladenschluß das 
Glück suchen gehen, ist die genannte Kunst die tatsächliche ideo 
logische Basis. 
Ein unscheinbareres, doch sehr beachtenswertes Dasein, führt 
jene Literatur (und die ihr entsprechenden Kunstprodukte), die kein 
Wässerchen trübt, die in den Sonntagszeitungen, in Krankenhäusern, 
in den sozialen Fürsorgeorganisationen, in den pietistisch-frommen 
Familien aller Klassen, vor allem in der Provinz und auf dem Lande
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.