Gfassen
135
Heinrich Mann die Verhandlungen über
die Übersetzung in eine fremde Sprache
zu führen , , , Die Arbeit erschien dann in
einer Münchener Wochenschrift, Flake
weiß, daß der Roman infolge des Krieges
überstürzt zu Ende gebracht wurde, er
weiß, daß und warum das ausgedruckte
Buch während des Kriegs nicht erscheint.
Er hätte, ganz abgesehen von kamerad
schaftlichem Anstand, Gründe, sogar per
sönliche Gründe genug gehabt, diese Zu»
rüdchaltung zu achten. Dabei nehme ich
an, daß er aufrichtig, im Innersten durch
den Krieg umgelernt hat, und daß er sich
nicht einer Strömung fügte, die sein eigenes
Denken und Trachten leichthin umwarf.. ,
Was er nidit nur über meinen Roman
»Benkal«, sondern über mich schrieb, be
rühre ich nicht,- es tat mir leid, daß er den
Augenblick für gekommen hielt, nein, daß
er sich in diesem schlecht gewählten Augen
blick verleiten ließ, in der Neuen Rund
schau weiterzugeben, was unser Lands
mann Fritz Lienhard in seiner Flugschrift
über das Elsaß ungefähr zur selben Zeit
ausspielte, wo der von Lienhard verdäch
tigte Ernst Stadler auf dem Sddaditfeld
fiel: eine falsdie Charakteristik unserer
während mehr als zehn Jahren gemein
samen Bestrebungen, die auf eine unwür
dige Denunziation hinauslief. Aber Flake
überbot Lienhard: er vergaß v/iederum,
daß er bis in die letzte Zeit sich selbst
in jener, wie er sagt »hysterischen« Ver
fassung befand, die er als die unliterarische
Gemeinsamkeit der »Expressionisten« be
zeichnet. Der Aufsatz ist schlecht, Wer
von uns hätte noch keinen schlechten Auf
satz geschrieben? Er bedeutet jedoch die
Ausführung eines redaktionellen Auftrags,
dessen Sinn nicht mißzuverstehen war.
Den Auftrag hätte Flake, wenn nicht aus
persönlichen, so wenigstens aus gesellschaft
lichen Gründen ablehnen müssen, Wenn
er ihn aber übernahm, so hätte er ent
weder, in rücksichtsloser Aufrichtigkeit, ein
ras eine
Pamphlet schreiben sollen
saubere Sache gewesen wäre — oder aber
sich darauf beschränken müssen, literarische
Angelegenheiten, ohne kulturhistorische
Manöver, nach bestem Wissen literarisch
einzuordnen. Die scheinbare Objektivität
des Verfahrens, das er wählte, mag zeit
gemäß sein. Sie ist widerlich und setzt
einen Schriftsteller tiefer herab, als ihn zwölf
gute Bücher hinaufheben könnten, die er
noch in seinem Leben schriebe,
Ich würde nicht bei einem Aufsatz wie
dem besprochenen verweilen, wenn nicht
Angelegenheiten, die sehr persönliche zu
sein scheinen, heute in Wirklichkeit über-
persönlidier Art wären: sie stellen Menschen
dorthin, wohin sie endgültig gehören kraft
der Prüfung, die ihnen von der Zeit auf
erlegt ward. Gemeinschaften haben sich
gelöst, andre werden sich statt ihrer bilden,
Ihr Bestand wird fester sein, weil sie nicht
durch Zufall, Neigung und Berechnung be
stehen werden, sondern aus Treue zu
sich selbst und der erprobten Widerstands
kraft gegen Gewaltsamkeiten aller Art.
Man wird gern alles verzeihen, aber gut
tun, nichts zu vergessen,
•k
Da wir schon beim »Expressionismus«
sind, will ich mit meiner Meinung über
ihn nicht hinter dem Berg halten. Der Ex
pressionismus ist ebensoviel und ebenso
wenig wert, wie jedes Schlagwort. Es gab
expressionistische Dichtungen, expressio
nistische Gemälde, bevor es einen »Ex
pressionismus« gab, Vielfach nennen wir
heute expressionistisch, was früher roman
tisch hieß, und deshalb ist es nicht riditig,
daß uns die Intensität des Ausdrudcs, die
ihn kennzeichnen soll, erst durch franzö-