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Schwindel erkennt man zugleich und deutlich auch den
eigenen.
Wir haben das Leben ziemlich auf den Kopf gestellt,
und die Einschätzung ist eigentlich der größte Schwindel,
so daß ich geneigt bin zu sagen: „Das Beste wäre, nicht
geboren sein." Das sagt natürlich nur eine gewisse Be
quemlichkeit, und ein gründlicher moralischer Katzenjam
mer ist ein Zeichen des ssch regenden Gewissens.
Die Cafe-Ecke stellte, wenn auch ein wenig hinkend, das
Glück im Winkel dar. Mit Whisky »versetzte ich mich in
das kurzsschtige Stadium, das man. bei allen festlichen An
lässen ja gut gebrauchen kann. Schon beim ersten Glase
ließ ich fünf gerade sein und sah in diesem Zustand Irma
in ihrer geflammten Bluse als jungen Pfau an. Mit
ihrem Kontrollbuch fühlte sie sich recht in einem Hafen
des Glückes gelandet. Irgendwie trifft es ja auch zu,
denn die Angst vor der sittlichen Polizei hat aufgehört.
Daß man vor der „Sitte" Angst haben könne, das habe
ich mir früher auch nicht träumen lassen.
Irma fühlte sich als Mittelpunkt und berichtete die
Geschichte, wie sie „hochgegangen" sei, wobei sie den Kri
minalbeamten als eine Art gute Vorsehung betrachtete und
ihn in Schutz nahm, als Lina ihn für ein Schwein erklärte.
Das war ja nur Linas persönliche Auffassung, die man
ihr wohl gönnen konnte. Aber Irma nahm sogar den
Schutzmann in Schutz, der das doch gar nicht nötig hat.
Sie erklärte, er sei eine Seele von einem Menschen.
Johanna, stets protegierend wie eine Mutter, sah auf
ihre müden ringbesetzten Hände, nickte ganz langsam, al-