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Wenn ich am kältesten empfinde, ist es mir unbegreif
lich, wie sehr ich unter der Verachtung leide. Alles, was
mich kalt, von oben herab ansieht, tut mir weh. Vielleicht
der einzige Schmerz, bei dem nicht eine Spur von Roman
tik ist.
Ach, die Zimmerwirtinnen, die so höhnisch lächeln kön
nen. Dieses perfide Lächeln, das wie grausame Wollust
aussieht. Die behagliche Sattheit auf dem Gesicht einer
gemästeten Ehefrau. Es wäre erträglicher, wenn sie mir
direkt sagte: „Wie erfreulich, einen Menschen zugrunde ge
hen zu sehen, während man selbst gesund bleibt." Dann
könnte ich doch zurückfragen: „Wie ist es, verachtend zu
genießen? Ist das süß?" Aber das darf ich nicht wissen.
Will es ja auch nicht. Es würde über meine Kraft ge
hen.
Bin kein erfreulicher Umgang für mich. Dennoch bin ich
genötigt, mich mit mir zu beschäftigen. Das Gefühl des
Verachtetwerdens ist unbeschreiblich.
Wenn man doch das Angesicht vor mir verbergen wollte.
Aber nein, man sieht mich an. Und bin doch nur ein Zu
stand, wie ich gehe und stehe, nur ein Zustand. Den dürf
te man doch nicht genußsüchtig in Augenschein nehmen,
Wunde, die man unter die Lupe nimmt.
Gestern beobachtete ich die kleine Schwindsüchtige im
weißen Kleidchen, wie sie tanzte. Sie ist ein hinfälliges,
rührendes Bündel, und hingegeben zärtlich schmiegen sich
ihre Augen an alles, was sie sehen.