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Von Gottes- und Menschenrechten.
Gatte gegen den Gatten, der Hausvater gegen die Familie/
Humboldt will, in dieser frühen Schrift von 1792, nur die Sicher
heit des Bürgers vom Staat garantiert wissen, alles andere aber,
besonders die Moral soll der ,Willkür* des einzelnen überlassen
bleiben, von der er in einem schönen Appell so viel Größe
erwartet, daß sie den Egoismen nicht verfällt. Leider kann
man diesen ,Idealismus* Humboldts nicht hoch anschlagen, weil
er ihn später völlig widerrufen hat. Und das ist überhaupt ein
Elend, daß es so schwer ist, aus all dem Reichtum, den unsere
Klassiker zutage gefördert, eine unmißverständliche und eindeutige
Richtlinie abzuziehen. Es müssen an den Höfen schlimme Zu
stände gewesen sein, die das Vermeiden jeder klaren und zu
verlässigen Direktive wünschbar erscheinen ließen.
*
Mit der Möglichkeit, daß die allgemeinen und dauerhaften
Garantien der individuellen Moral zur Staatsgrundlage erhoben
werden, beginnt eine neue Phase: nämlich der theologische und
philosophische Streit um das Wesen der Menschennatur. Dieser
Streit, der nicht mehr abstrakt geführt, sondern auf die Gesell
schaft und auf den Staat müßte bezogen sein, hat in Deutschland
noch kaum begonnen; noch ist alle Welt überzeugt, daß das
Wesen des Menschen in der Natur beschlossen sei. Bevor dieser
Streit aber bewußt geworden und entschieden ist, bevor die
Dokumente geprüft und die Entscheidungen gefallen sind, wäre
es müßig, neue Verfassungen aufzustellen. Man wird, wenn die
Zeit einmal gekommen ist, gut daran tun, nicht nur die Theorien,
sondern auch die Erlebnisse dieses Krieges den Folgerungen zu
grunde zu legen. Vorerst ist das eine gewiß, daß in der neuen
Epoche, die anhebt, auch bei einer demokratischen Lösung in