Volltext: Die Flucht aus der Zeit

Von Gottes- und Menschenrechten. 
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ohne den dringendsten Zwang wird die Logik zum Selbstzweck 
und mit der peinlichsten Umsicht verabsolutiert. Sucht man eine 
Erklärung dafür, so kommt man auf vorzüglich zwei Argumente. 
Einmal stehen dem naiven Vernunftgebrauch die strikten Verbote 
des politischen Despotismus im Wege. Dem Philosophen ist ein 
direkter Vernunftgebrauch untersagt. Sodann aber wiederholt sich 
dies Phänomen, das im Staate gilt, auch in der persönlichen und 
privaten Sphäre: indem der Pietismus dieselben Verbote gegen 
die Sinne und Neigungen erlassen hat. Ein sinnen- und sitten 
polizeilicher Rigorismus herrscht, der die Haltung eines genialen 
Individuums und eines aufgeklärten Philosophen bis zur Bosheit 
und Rachsucht kompliziert. Bei Kant richtet sich der verdrängte 
Strom gegen die Wurzeln der Einbildungskraft, gegen den In 
stinkt, gegen die Phantasie selbst, und zwar nicht nur in deren 
niedrigem, auch in deren hohem Sinne. So entstehen jene Ge 
dankengebäude eines verspäteten Barock, die eine ungeheuerliche 
Desequilibrierung ins menschliche Leben und Denken getragen 
haben. Die sittliche Person ist von aller bildmäßigen, konkreten 
Ausprägung in Staat und Gesellschaft ebenso wie von der eigenen 
Natur abgelenkt und abgezogen; dem Verstände aber, das heißt 
einem Mittel der Vernunft, ist die normwidrige Macht und Be 
deutung eines Zweckes zuerteilt. 
* 
Die Folgen des Bevormundungssystems hat Humboldt bereits 
vorzüglich beschrieben in seiner Schrift von den „Grenzen der 
Wirksamkeit des Staates“. ,Wie jeder sich selbst auf die sorgende 
Hilfe des Staates verläßt, so und noch weit mehr übergibt er 
ihr das Schicksal seines Mitbürgers. Dies aber schwächt die Teil 
nahme, und macht zu gegenseitiger Hilfsleistung träger . . Wo 
aber der Bürger kälter ist gegen den Bürger, da ist es auch der
	        
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