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Von Gottes- und Menschenrechten.
als Befreiung von unwürdigen und peinlichen Fesseln (als da
sind: Gesetze, Verträge und Konventionen) empfunden. ,Non
fanno nulla a mezzo', sagt er. Deutschland sei eine Nation ,dello
slancio trascendentale, ricco di tutte le virtü fuorche di misura'.
Deutsch sei nicht der Klassizismus, der unpopulär geblieben sei,
sondern die kettenbrechende Reformation, Sturm und Drang, dann
die Romantik. Für die Auffassung des Rechtes als einer In
sinuation zitiert er schon Karl (nicht etwa Franz) Moor in den
„Räubern“ und Götz von Berlichingens Apotheose des Faustrechts.
Die individuelle Willkür des Titanen geht über Tradition und
Staat. Der Titanenkult und das Superlativische finden sich beim
jungen Goethe (Prometheus, Faust), bei Kleist (Pentesilea),
Wagner (Siegfriedmythus), Hebbel (Holofernes) und Nietzsche
(Übermensch). Nicht Architektur und Politik, sondern Lyrik und
Mystik sind typisch. ,Uomini della natura' wollen diese Heroen
sein; aber einer Natur ,quäle e veramente, crudele, sanguinosa,
inflessibile premiatrice della potenza effettiva'. Der mystische
Zyklus, den die deutsche Poesie feiert, ist eine Gigantomachie,
eine Prometheide, ,tutto uno scrollare di tirsi dionisiaci'. Das
Herz des Dichters ist immer mit dem Titanen, auch wenn er
unterliegt. Titanisch und antichristlich aber gilt für dasselbe.
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Der Kardinalpunkt wäre demnach in der Frage beschlossen,
ob man die Reformation als einen Ausdruck anthropologischer
Veranlagung, oder als eine Folge irrtümlicher theologischer Spe
kulation betrachten muß. Im letzteren Falle wäre das Unglück
reparabel und als eine freie geistige Entscheidung mit Vernunft
gründen zu beheben. Im anderen Falle aber würde sich mit der
Diskreditierung der Reformation nur die Ideologie ändern, die
Renitenz aber bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder
hervorkommen. Bedenklich muß es stimmen, daß nur die un-