Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Halbinseln zerfransten Erdteil Europa kurzerhand in zwei ungleiche Teile: den 
kleinen und den großen Balkan. 
Dort dampft die Erde in Fieberhitze. Und das ist alles. Denn, wie gesagt, 
die Meisen sind noch nicht verstummt. 
Die Schmerzen der Menschen sind im weltschoß durcheinander gerüttelt: 
welcher zu unterst als seltener Ausnahmeschmerz lag, kommt in die Höhe; was 
vordem ein Vielgetragenes Leid — die Blindheit der Nachbarn, Erstickungs 
anfälle der Seele, unausrottbarer tZdlicher Neid, lagern träge, unverwendbar. 
Es blüht der Schmerz des jähen Verlustes, der zudröhnenden Türen, die in 
schlüssellose, verriegelte Schlösser fallen, der große, haarscharf geschnittene 
Schmerz ohne Schattierung, der Blitzschlag. Ein schöner, ganzer Schmerz, der 
hölleheiß brennt, und neben sich Rraft und Tücke, Hoffen, Freude, Hunger, kurz 
Menschsein auf gleicher Stätte blühen läßt. 
Den Rrieg mitmachen.... Rann ein Mensch den Rrieg mitmachen? Macht 
man Rathedralen mit? Gewiß, viele können es so, wie sie das Leben mitmachen 
und in wunderbar grotesker Bewegung den Tod miteinheimsen. 
Ist der Rrieg furchtbarer als das Leben? Aber auch nicht schöner. Eine 
Hand in das Lhaos der Erdanfänge getaucht, die andere schützend vor den 
geschlossenen Augen und in dieser dunkelroten Sammtnacht der Dreiklang: Ich — 
die Andern — der Tod. Alle phantasieren sie auf diesem Akkord, die draußen, 
halb Bison, halb Griechen dem Völkerhandwerk leben und sterben, und die 
zurückgeblieben sind um vorwärts zu schauen. 
Und was ist es mit dem Tod? 
Er ist öffentlicher geworden —. 
Sie sehen, sehr geehrter Herr, wie spröde ich mich verhalte. — Immerhin 
sende ich Ihnen ein Gedicht, das, wenn es Vorhergesagtes auch nicht ergänzt, 
doch auf gleichem Boden gewachsen ist. 
Es grüßt Sie bestens 
M. L.
	        
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