Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Reine Minderwertigkeitsgefühle vorschützen! Ihr seid nicht überflüssig; 
und seids in diesen Läuften des Triumphs der KZrper am wenigsten. Euch 
ruft Deutschland, unsre geliebte Heimat; und die Menschheit, unsre geliebtere. 
Brüllt nicht die Welt nach Umsturz und neuen Errichtungen? Der Bau der 
Zukunft — wem sollte er obliegen, wenn nicht euch? Ihr seid der Geist, ihr 
seid die Führung, ihr seid die Macht. 
Da wird in den Engländern jetzt der frivole Merkantilismus bekämpft, 
in den Russen die brutale Idiotie; wundervoll! herrlich! Deutschland kämpft 
für den Geist! Sobald aber Friede auf Erden ist, wollen wir es sein, die den 
Kampf für den Geist fortsetzen, und., den Kriegsschauplatz nach dem In 
land verlegen. Gegen Krämer und Dunkelmänner! welch würdige Parole! 
Fahne der neuen Schar! Ruf derer, die durch Worte Ereignisse machen! Der 
Litterat: Kein Ausgeschloßner mehr, kein ironisch Danebenstehender und bloß 
formulierender Gaffer, sondern ein Eingreifender; nicht länger Statist, 
sondern Held. 
Das psychologische Zeitalter ist vorüber, und das politische begann. Wir 
werden nicht musisch sein, wir werden moralisch sein; nicht betrachten, sondern 
bewirken; Redner, Lehrer, Aufklärer, Aufwiegler, Bündegründer, Gesetzgeber, 
Priester, Religionsstifter werden wir sein; wir werden Propheten sein, wir 
werden Litteraten sein. Untätiger Tiefsinn sank im Kurse; er sinke weiter; 
Geist ist Ziel. Man schimpfe uns fortan nicht mehr „Intellektuelle"; willent 
liche wollen wir heißen. 
Das klingt nun vielleicht wie eine abstrakte Fanfare; aber, bei allen 
heiligen Unheiligen, wir meinen es sehr konkret. Die Armut, die Straf 
ordnung, die Sexualordnung, das Recht des Schaffenden, die Zuteilung der 
Macht, die Struktur des Staates, die Vereinigung der Nationen, besonders 
aber jene Grundlage und Vorbedingung allen Fortschreitens: die Er 
ziehung (durch Schule, Hochschule, presse): die Erziehung zum Geist 
durch den Geist —: der anpackbaren Dinge gibt es genug! was uns vor 
schwebt, ist nicht öder Reformismus, christlich-soziale Dürftigkeit, volksmännische 
Enge — (Fortschritt, das wissen wir ja, bedeutet keine bloße Verneinung der 
älteren Lage durch eine neue, vielmehr Rettung der älteren in die neue; so: 
Rettung aller Errungenschaften der ästhetisch-kontemplativen Aera in die neu 
ethische!); aber wir wissen freilich auch, daß jene formale Revolutionarität, 
in der sich gestern mancher Genieling gefiel, eine taube Nuß war. Tumult 
allein ist sinnlos; schlechthin kämpfen bleibt ohne wert; man muß wofür 
kämpfen. Das paßt auf den Krieg mit Waffen; auf den Krieg des Geistes 
paßt es erst recht. 
Eines aber kann der Krieg des Geistes vom Kriege der Krieger lernen, 
und muß es lernen: Organisation, warum haben wir bisher nichts erreicht? 
Jeder stand in seinem privaten Laboratorium und analysierte; jeder kniete 
vor seinem privaten Altärchen und ekstasierte; jeder saß auf seinem privaten
	        
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