Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Berliner Kunstkritik. 2m 
S-Uhr-Abeudblatt vom 16. Mär; heißt 
es am Lude einer uichtuuterzeichueteu 
Kritik über „Kriegskarikatureu bei 
Paul Lafsirer". „Erwähnt feien noch 
LH. Th. Heine, Ed. Lhöug, Wilh. 
Schul; und Auguste Renoir, die 
in der „Landschaft bei Avignon" vor 
zügliches gemistet hat." — Renoir als 
Berfafferiu des berüchtigten Buches 
„SO 2ahre in Männerkleideru"! Das 
ist fchou einigermaßen komisch. Weit ko 
mischer aber ist Herr Servaes in der 
Bofstschen Zeitung vom S. April 1416 
Dieser Alaun weiß zwar über die 
Sexualität Renoirs Bescheid. Dafür 
weiß er um so weniger von 
seinem Wert und seiner Bedeutung. 
Mancher Kellner und sogar mancher 
Kunsthistoriker weiß, daß Renoir der 
— nicht ein, sondern schlechtweg der 
Maler unserer Tage ist. Der einzige, 
von dem mau schon ganz sicher, sozu 
sagen schon bei de« Behörden weiß: 
er ist unsterblich. Der einzige Riese, 
der uberblieb. (Vielleicht wächst augen 
blicklich schon irgendwo ein größerer. 
Aber der wächst» der w i r d daun noch. 
Der einzige, der's schon ist, — ist er.) 
Herr Servaes aber stellt ihm (nicht 
ohne Wohlwollen) ein Beispiel, ein 
Vorbild zum Ansporn an die Seite. 
Er wählt dazu? 
Herrn Brockhuseu. (2u Worten: 
LH. v. Brockhuseu). Renoir ist „flau" 
und „routiniert". Brockhuseu „voll 
gesunder Gärung". „Vielleicht war es 
auch nicht richtig» diese müden, vorneh 
men Bilder mit den schmetternden 
Farbenfanfaren unseres Brockhuseu zu- 
sammeuzubriugeu". 
„Unser" Brockhuseul Rein — es war 
sicher nicht richtig, Herr Servaes! 
Ls ist gewiß sehr komisch, wenn ein 
Manu davon lebt, daß er Renoir für 
eine Dame» vielleicht gar für eine 
Laote hält. Daß aber einer davon 
lebt» daß er Renoir bei Brockhuseu 
in die Lehre gibt, — das ist doch noch 
erheblich komischer. 
Den erstrebten Gipfel (der Komik) zu 
erreichen aber — ach, es ist ihnen beiden 
unmöglich. Da thront in unerreichbarem 
Glanze» einsam und sicher Friedrich 
Stahl, genannt Fritz, vom „Berliner 
Tageblatt". 
Der lebt nun wohl schon ein Dutzend 
2ahre von der Kunst (anderer freilich) 
und hat noch immer nicht gelernt, daß 
es bei der Bewertung eines Künstlers 
nicht so sehr auf das ankommt, was 
er malt» als vielmehr darauf» wie er 
es tut. (Sozusagen.) Zur ihn ist immer 
noch der Manu der lobenswerteste» 
in besten Atelier das netteste (und 
nackteste) Mädchen steht. Ei« Satz, zu 
dem nicht nur Herr Stahl, zu dem 
gar mancher heitere Mäzen hält. 
Stahl schreibt über „Aiggerei", viel 
mehr gegen „Aiggerei". Run glaubt 
man erst, er hätte es mit den harm 
losen jungen Leuten, die sich durch 
Gauguin und später durch Aegerplastik 
zu einem primitiven nnd uegerhafteo 
(aber europafremden) Stil verleiten 
ließen. Mau glaubt, er wurde sagen: 
„Bleibt Europäer! Werdet keine 
Reger!" Oh nein. Das ist ihm ganz 
egal. Herr Stahl kennt keinen Stil, 
kein Ziel, kein Wollen, kein (oft, ach 
oft gar recht verzweifeltes) Kämpfen um 
Ausdrucksart und Ausdrucksmöglich 
keit. Von diesem gefährlichen und all 
täglichen Kampf um sich selbst und ei« 
bißchen eigene Sprache, um ein bißchen 
Sprechenköuueu und um ein bißchen 
Gehörtwerdeu, von dieser schweren 
und törichten Arbeit» die endlich am 
Abend ganz zuweilen von einer ach, so 
sauften Melodie oder auch nur von
	        
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