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Jahresbericht 1940 der Zürcher Kunstgesellechaft
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zwanzig Kilometer von Urbino und dreißig von Rimini, in die Pinakothek von Urbino gelangt
ist, der des Pietro auf einem Gekreuzigten in der Totenkapelle der Kirche San Giovanni
Decollaio in Urbania. Venturi erweitert den Bereich dieser Maler von Rimini, indem er.
einer älteren Ueberlieferung und Uebereinkunft folgend, auch die Fresken in Santa Maria
Porto Fuori von Ravenna und eine kleine Tafel mit der Anbetung der Könige und dem
ersten Bad des Christkindes der Sammlung Hubert Parry in Gloucester ihnen zuteilt.
Die von Venturi aufgewiesenen Fragen der Nachfolge von Cavallini allgemein und von
Giotto in Rimini sind in zweierlei Richtungen verfolgt worden. Zunächst versucht Osvald
Siren, angeregt durch eine Notiz von Riccobaldo Ferrarese vom Anfang des 14. Jahr-
hunderts, nach welcher die Größe von Giottos Künstlerschaft durch Gemälde in Assisi,
Rimini und Padua erhärtet werde, in einem Aufsatz des Burlington Magazine vom Oktober
und November 1916 nachzuweisen, daß und wie die Malerei in Rimini durch Giotto be-
fruchtet worden sei, und nichts anderes. Siren geht aus von Giuliano da Rimini, dessen
große Altartafel, seit Venturi sie erwähnt hat, aus dem Dom von Urbania nach Boston
in die Sammlung des Herrn Gardener gelangt ist. Dafür sieht er andere Zeugnisse der
Tätigkeit des Giuliano in einer Altartafel der Kirche Santa Maria in Cesi und in Teilen
der Ausmalung des Klosters Santa Maria in Pomposa; «vielleicht» sei der 1346 verstorbene
Meister auch «auf einer späteren Entwicklungsstufe» beteiligt an den Fresken von Santa
Maria in Porto Fuori in Ravenna. Für Pietro da Rimini stützt Siren sich auf die Signatur
eines Crucifixus in Urbania; verwandte Formen sieht er in den meisten Fresken des
Marienlebens von Santa Maria in Porto Fuori; charakteristische Züge des so festgestellten
Stils von Pietro weise auch eine kleine Tafel mit der Stigmatisierung des Heiligen Franz
und eine kleine Grablegung in Viterbo auf mit der gleichen Komposition wie eine
Grablegung der vatikanischen Galerie (wahrscheinlich meint Siren damit Kat. Nr. 56).
Die Unmöglichkeit, derartige Hinweise hier mit dem Bildermaterial zu begleiten, mit
dem die Texte sich befassen, gestattet auch nicht, ihre Ausführungen hier so zu beleuchten,
daß der Leser an ihrer Würdigung näher Anteil nehmen könnte. Dies ist vor allem be-
dauerlich gegenüber der Gestalt des Giovanni Baronzio da Rimini, die Siren
zu einer hoch gepriesenen Zentralfigur macht. Er reiht um das eine signierte und 1345
datierte große Altarblatt von Urbino einen bunten Kranz von Arbeiten, zum Teil aus der
Gruppe, die Venturi noch dem Cavallini und seiner Nachfolge zuweist, sodann auch wieder
die Fresken von Santa Maria in Porto Fuori von Ravenna und eine mannigfaltige Gruppe
von ihm bekannten Tafeln und Täfelchen in englischen und amerikanischen Sammlungen.
Cavallini existiert, auf alle Fälle in diesem Zusammenhang, für Siren nicht. Er ver-
Iritt die orthodoxe These von der allumfassenden Bedeutung und Uebermacht der Kunst
von Giotto für die gesamte italienische Malerei des frühen 14. Jahrhunderts. Die Malerei
der Riminesen, und die Kunst des Giovanni Baronzio im besondern, sind ihm eine Syn-
these von Byzanz und Giotto. Er übernimmt von Lionello Venturi, dem Sohn des Alt-
meisters Adolfo, die Feststellung «that Giovanni adapted the chromatics of the Byzantine
tradition to the plastic forms of Giotto», was sagen wolle, daß Baronzio über die mittel-
alterliche Schule dank der belebenden Berührung mit der Kunst Giottos sich erhoben
habe. Diese entscheidende Berührung müsse im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts, wahr-
scheinlich in Rimini, erfolgt sein, mit der Möglichkeit, daß Baronzio immerhin später auch
mit sienesischen Meistern wie Pietro Lorenzetti oder Simone Martini bekannt geworden
3ei, und daß dieser neue Kontakt, oder auch nur die eigene künstlerische Persönlichkeit.