Volltext: Jahresbericht 1957 (1957)

ziemlich genau ablesen, und dieser trug man auch bei der 
neuen Montierung nach Möglichkeit Rechnung. Freilich 
zeigte sich dabei wieder, daß ein Fragment nicht in jedem 
Falle eine Aufstellung erträgt, die genau der Neigung und 
Wendung entspricht, die es in seinem Verband hatte. Aus dem 
Rhythmus der Gesamtbewegung herausgelöst, hat es sich für 
unser Empfinden zu einem neuen, selbständigen Gebilde ver- 
wandelt, das seine Gesetze in sich selber finden muß. Span- 
nung und Richtung der Sehnen des Halses deuten an, daß 
dieser nach rechts gedreht und etwas dahin geneigt war. Nei- 
gung und Drehung setzt das Haupt sanft verstärkend fort, 
wobei es sich zugleich leise erhebt in die Richtung schräg auf- 
wärts, in die der Blick geht und in welche die ganze, ziemlich 
komplizierte Bewegung hinstrebt und ausmündet. 
Schon hier, bevor wir uns noch um die Deutung ihres ex- 
pressiven Wertes bemüht haben, erkennen wir, wie wichtig 
die gute Erhaltung der Augen für die Würdigung des Werkes 
und das Verständnis der künstlerischen Absicht ist, so daß wir 
darüber wohl den Verlust der, nach den Ansätzen zu schlie- 
ßen, sehr fein geformten Nase eher verschmerzen können. Mit 
harten, etwas unsicher gezogenen Linien sind die Iriskreise 
umrissen, während tief ausgehobene Mulden die Pupillen als 
dunkle Schattenflecke abheben. Nur je ein schmaler Steg 
wölbt sich zur Andeutung eines Lichtreflexes von oben in das 
Rund herein. Vergleichen wir die Oberfläche der Augäpfel mit 
derjenigen der Hautpartien, so werden wir gewahr, daß sie 
sich viel rauher ausnimmt als an diesen, wo sie sorgfältig ge- 
glättet ist; am Halse, den das Kinn vor Verwitterung schützte, 
erreicht sie noch beinahe porzellanigen Glanz. Dieser Unter- 
schied erklärt sich daraus, daß die Augen bemalt waren, wofür 
Farbreste an manchen anderen Porträtköpfen zum Beweise 
dienen können; dagegen sind die Mittel zur Wiedergabe des 
Inkarnats ganz aus den Möglichkeiten des Steinmaterials ge- 
schöpft. Bemalung trugen ferner das Haupthaar, Bart, Schnurr- 
bart und Brauen. Und hier treten ja nun die tastbaren Formen 
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