Volltext: Jahresbericht 1958 (1958)

gestiver Wirkung gesteigerte, gespenstische und im exakten 
Wortverstand un-heimliche Stimmung des Werkes. Es ist jene 
Stimmung, die auch Giacomettis Plastiken anhaftet, diesen 
zu geisterhaften Schemen und verlassenen Zeichen ein- 
geschrumpften, linear verdünnten, von der Macht des Raumes 
ausgezehrten Figuren. 
Die Zeichnung umreißt die Erscheinung des Dargestellten 
nicht in einer präzisen, den Körper gestalthaft bestimmenden 
Weise als einhegender Kontur; vielmehr manifestiert sie sich 
als scheinbar sinnlose, aber ungemein dichte Kritzelei «aus 
spinnwebdünnen Strichen von einer stählernen Härte» (Jed- 
licka), die in heftigstem Gegensatz steht zu dem, was man 
«akademisches» Zeichnen nennt. Die körperbegrenzende 
Schicht zeigt eine vieldeutige Offenheit; es ist, als ließe sie den 
«Grund» überall in die menschliche Gestalt eindringen, die, 
in perspektivischer Dehnung und Längung, resultierend aus 
der maßstäblichen Spannung zwischen dem kleinen, wie in 
die Ferne gerückten Haupt und den nahsichtig wahrgenom- 
menen Knien und Händen, dennoch die Oertlichkeit domi- 
niert — ins Symbolische gesteigerte großartige Veranschau- 
lichung von «existentieller» Gefährdung, Bedrohung der Ge- 
stalthaftigkeit und gleichzeitigem heroisch gefaßtem Behaup- 
tungswillen. 
Ist der «Diego» insofern der Ueberlieferung der abend- 
ländischen Porträtvorstellung verbunden, als es sich immer 
noch um das erkennbare «physiognomische> Abbild einer 
bestimmten Person handelt, so wird in der «Esquisse» von 
1957 (Oel auf Leinwand, 73X60 cm, bez. u. r.: Alberto Gia- 
cometti 1957) selbst das fragwürdig. Ueber den untern Bild- 
rand taucht, wiederum eingeschlossen von einem gemalten 
Rahmen, die Halbfigur eines Menschen auf. Sie ist überspült 
von. einem dunkelgrauen Schattenschlag, der von außerhalb 
jäh und unvermittelt auf die Bildfläche fällt, ihm fast bis zum 
Ausgelöschtwerden preisgegeben, so daß sie zur schattenhaften 
Flächenprojektion wird. In solcher Konstellation erreicht das 
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