reiner Verlegenheit, modisch bedingt, unmotiviert ist und
bloß das Massive, äußerlich Deklamatorische unterstreicht,
was als krisenhaftes Symptom bei so vielen Bildern un-
angenehm auffällt.
Anstelle der imitativen Darstellungsmittel tritt bei Sou-
lages eine Formgrammatik, die aus breiten schwarzen Farb-
bändern oder Farbbahnen besteht, welche sich gitterartig auf
der Bildebene überschneiden und überdecken. Von allem
Anfang an negieren sie jeden Bezug zu einer außerbild-
nerischen Wirklichkeit; es sind eigengesetzliche, selbst-
genügsame Farb- und Formfigurationen, die anfänglich
gerüsthaft den hellen Grund vergittern und zunächst eher
Vertikalordnungen dominieren lassen. Sie wandeln sich
dann zusehends zu Horizontalordnungen und Schrägord-
nungen aus reich bewegten Balkengeschieben, die sich bald
diagonal, bald orthogonal schichten und dabei räumliche
Impulse ausstrahlen. Das vorliegende Gemälde ist ein Muster-
beispiel dieser seit den späten fünfziger Jahren sich durch-
setzenden Gestaltungsweise: in der oberen Bildhälfte des
Hochformats entfaltet sich in diagonalen Schrägen das Spiel
dieser Farbbänder und Farbbalken; es kontrastiert wirkungs-
voll mit dem leeren, zugestrichenen, kaum differenzierten
untern Teil. Die Formevolutionen oben vollziehen sich, was
die Farbe betrifft, im Medium vor allem von Schwarz: das ist
das vorherrschende Kolorit. Soulages ist «Schwarzmaler» par
excellence; wahrscheinlich könnte er sich ohne weiteres mit
dem Ausspruch des Venezianers Tintoretto einverstanden er-
klären, Schwarz und Weiß seien die schönsten Farben. Sein
Kolorismus ist ein solcher des rapiden Uebergangs von größten
Dunkelheitswerten zu größten Helligkeitswerten. Weiß,
Nachtblau und Schiefergrau treten im Bild «30 novembre
1959» — der Titel meint das Entstehungsdatum; er ist in
thematischer Hinsicht kennzeichnenderweise völlig neutral —
ın sparsamer Dosierung zum übermächtigen Schwarz hinzu,
als schmale Akzente, die von den Rändern der schwarzen,
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