Volltext: Jahresbericht 1969 (1969)

objet quelconques qu’ils soient donnes une fois pour toutes et de laisser 
quoi que ce soit en repos» (Michel Leiris)8, 
«Grand Nu» ist Jedoch nicht als eigentliche Bildparaphrase zu verstehen, 
läßt sich doch kein unmittelbares Vorbild nennen. Daß eine Beziehung zu 
Manets « Olympia» herausgelesen werden kann, wurde bereits mehrmals 
ausgesprochen? ; es ist wohl möglich, daß nach der jahrelangen Beschäfti- 
gung mit dem « Dejeuner sur l’herbe» (1959-62) Manet dem Meister von 
Mbugins besonders nahestand, die Verwandtschaft allerdings zwischen den 
beiden Bildern beschränkt sich auf die milchig-kühle Farbigkeit. «Grand 
Nu» muß vielmehr innerhalb einer großen Tradition europäischer Malerei 
seit der Renaissance gesehen werden: als Vorläufer unseres Bildes sind die 
Gemälde Tizians und Velazquez’ mit der ruhenden Venus, Goyas nackte 
Maya, Ingres’ große Odealisque zu erwähnen. Während diese Maler in den 
genannten Bildern ihrer Idealvorstellung weiblicher Schönheit Ausdruck 
verliehen, so versucht Picasso in «Grand Nu» ein umfassendes Bild dessen 
zu geben, was ihm die Frau bedeutet. Es ist dies freilich nicht das einzige 
Mal, daß sich Picasso mit diesem anspruchsvollen Thema auseinandersetzt; 
im gleichen Jahr 1964 malt er mehrere Fassungen eines mit einer Katze 
spielenden Frauenaktes!®; es muß auch an das die sechziger Jahre bis 1968 
dominierende Thema «Maler und Modell» erinnert werden, das die viel- 
fältige Beziehung des Künstlers zu seiner Geliebten, seiner Gefährtin, 
seiner Gespielin, seiner Muse, seinem Idealbild wie seinem Dämon in 
ungezählten Variationen aufzeichnet!!, Eine umfassende Deutung der 
Frau liegt jedoch in «Grand Nu» gerade deshalb vor, weil das Bild auf 
jeglichen erzählerischen oder anekdotischen Gehalt verzichtet. Das Inter- 
esse konzentriert sich einzig und allein auf den ruhenden Akt, der in sich 
sinnliche Ausstrahlung mit sphinxhafter Unergründbarkeit vereinigt. 
«Grand Nu» läßt in moderner Vision die uralte mediterrane Vorstellung 
der mächtigen und beherrschenden Muttergöttin aufleben; der zwin- 
gende, in die Ferne gerichtete Blick der großen schwarzen Augen evoziert
	        
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