artige Schweizer Tradition des Puppenspiels stellt — vielleicht als deren
makabrer, erstarrter Endpunkt. Das Hochzeitspaar ist ein Paar von zwei
in Konventionen gefangenen Menschen, die das Schicksal ihrer Konven-
tionen maskenhaft «in sich gekehrt», verbittert, gottergeben tragen.
Zwischen ihnen gähnt Beziehungslosigkeit. Den Ausdruck prägen die
kräftig geformten Masken, die subtil abgestimmte Farbigkeit und die
expressive Haltung; die Einzelteile der Gesichter und der Hände, auf-
gedunsen und skelettartig zugleich, sind genäht: eine nicht illusionistische
Technik, die den Ausdruck drastisch intensiviert. Menschliche Einfüh-
lung verbindet sich mit einem ungewöhnlichen kunsthandwerklichen
Metier zu einzigartigen Symbolen für unsere Zeit.
Dieter Roths Werk ist genährt und getrieben von der Gewissheit, dass
alles Seiende sich in ständiger Veränderung befindet. Seine Kunst ist eine
ununterbrochene Bewegung, ein ununterbrochenes Befruchten, Gebären
und Sterben in einem. Heraklit, von dem Sätze. wie «Kaltes erwärmt
sich, Warmes kühlt sich, Feuchtes trocknet sich, Dürres netzt sich» über-
liefert sind, ist sein Ahne. Was Dieter Roth zu Papier bringt, ist als Epi-
sode aus einem immerwährenden Prozess zu verstehen, im Gegensatz zu
jenem andern grossen Ziel der Kunst: der Verewigung. Das unüberseh-
bar riesige (Euvre, das Roth laufend in einem vielbändigen (Euvrekatalog
festhält, ist eine Sammlung von Spuren des Vorübergehenden. Unser Bild
Grosses Doppelkopfquarteit zeigt vier doppelseitige Profile: Profile, die
Roth plötzlich im Umriss von Zeichnungen, die aus der reinen, lockeren,
fast unendlich wiederholten Drehbewegung der Hand entstanden, ent-
deckte und nun seit längerer Zeit in vielen Variationen verfolgt. Es bleibt
aber hier nicht bei der «einschichtigen » Zeichnung, sondern schon unter
der Hand des Künstlers erlebt sie eine Überschichtung, die den Ursprung,
die Drehbewegung, stellenweise verschleiert und mit neuen Formen
überlagert. Es sind mehr oder weniger dicke und durchsichtige Schichten
von Leim, die sich über den Karton ergiessen und sich zu einer glänzigen,